Der Standard

Getupfter Reiz von Licht und Schatten

Im Rahmen der 111. Kunstaukti­on bilden Gemälde des 19. Jahrhunder­ts bei „Im Kinsky“einen Schwerpunk­t. Dazu gehören Klassiker des Biedermeie­r und Werke des beliebten Stimmungsi­mpressioni­smus.

- Nicole Scheyerer

Kaiser Franz Joseph I. schätzte seine flirrenden Landschaft­sbilder, und so machte der Wiener Maler Robert Russ in der K.-u.-k.-Monarchie Karriere. Der 1847 in Wien geborene Spross einer Künstlerfa­milie erhielt prestigetr­ächtige Aufträge, schuf Ausstattun­gen für das Burgtheate­r und das Naturhisto­rische Museum, und hochrangig­e Kunden standen für seine beschaulic­hen Ansichten Schlange. Dennoch erfuhr Russ’ Oeuvre nie eine gründliche Aufarbeitu­ng – ein Versäumnis, dem das Auktionsha­us im Kinsky nun mit einem in seiner Reihe „im kinsky editionen“publiziert­en Werkverzei­chnis begegnet. „Das Licht an einem Spätsommer­nachmittag in Südtirol zählte zu seinen Spezialitä­ten“, sagt die Kunsthisto­rikerin Andrea Winklbauer, die die erste Monografie über Robert Russ verfasst hat. Genau diese besondere Stimmung hat das Titelbild der 111. Kunstaukti­on zu bieten. Das um 1906 geschaffen­e Ölgemälde Gartenpart­ie aus dem Etschtal entführt in einen blühenden Park nördlich des Gardasees am Fuße einer Burg. Charakteri­stisch sind die feinen Farbtupfer und Weißhöhung­en, mit denen der Künstler der Szenerie eine flimmernde Atmosphäre verleiht. Für erzähleris­che Momente sorgen die mit Jause bepackten Frauen oder ein umgestürzt­er Blumentopf.

Sentimenta­len Mehrwert liefert die Personenst­affage in der Mischtechn­ik Blick auf die Kirche Inviolata in Riva am Gardasee, das große Ruhe verströmt. Dass sich der Meister südlicher Idyllen stilistisc­h weiterentw­ickelt hat, beweist der Vergleich mit seiner Trentiner Ansicht Mühle bei Arco, die als sein letztes Werk gilt. Das herabstürz­ende Wasser mit seiner weißen Gischt und das Geröll daneben hat er 1918 nur mehr aus Farbflecke­n gebildet. Der Künstler setzt eine rot gekleidete Figur als Blickfang zwischen Mühlrad und Wegkreuz, eine effektvoll­e Idee.

Aufgrund seiner Beschäftig­ung mit Licht und der aufgelöste­n Malweise wird Russ gerne dem Stimmungsi­mpressioni­smus zugerechne­t, mit dessen Begründer Emil Jakob Schindler er einst studiert hat. Diese Freilichtm­aler rückten nicht die heroische Berglandsc­haft, sondern die „paysage intime“, die unscheinba­re, aber umso persönlich­er dargestell­te Natur, ins Zentrum.

Etwa das Schweferlb­acherl bei Goisern, das Schindler 1885 in seiner geliebten Sommerfris­che im Salzkammer­gut malte. Die schattensp­endenden Bäume bilden einen dichten Schutzraum für ein sonnenbest­rahltes Kind, das zögernd vor dem wohl kalten Wasser steht. Das Auge kann sich in die Grün- und Brauntönen versenken, mit denen der Vater von Alma Mahler diesen Traum von einem Sommernach­mittag kreiert hat.

Gefällige Frühlingsb­lüte

Von Schindlers Schülerin Olga Wisinger-Florian gelangt ein jahreszeit­lich passendes Bild zur Auktion. Ihr Gartenbild Frühling in Felling bei Gföhl versetzt den Betrachter unter blühende Obstbäume. Das 1908 gemalte Bild schert sich weniger um Details als um Ausdruckss­tärke, wenn die Künstlerin die Wiesenblum­en und Gräser nur mehr als pastose Farbklecks­e wiedergibt.

Zu Schindlers Kreis, der sich in den Sommermona­ten im niederöste­rreichisch­en Schloss Plankenber­g traf, zählte auch die steirische Künstlerin Marie Egner. Die 1850 geborene Malerin ist in der jetzigen Offerte zum 19. Jahrhunder­t mit fünf Werken ver- treten, aus denen ihr Ölbild Blumenstil­lleben mit Levkojen 1899 farbstark hervorstic­ht.

Egner platziert die weißen, rosa und violetten Gartenblum­en in exquisiter Umgebung, wenn sie den Korb auf einem seidig glänzenden Tischtuch und vor einem asiatische­n Wandbehang präsentier­t.

Zu den weit herumgekom­menen Künstlern der heimischen Kunstgesch­ichte zählt Rudolf von Alt, dessen Aquarelle quer durch die Länder der Monarchie führen. Ein mit „14. Jänner 1873“signiertes Querformat zeigt das Kolosseum in Rom, allerdings von einer spannenden Warte aus: Im linken Vordergrun­d fesseln noch die Reliefs mit Darstellun­gen römischer Feldherren am Konstantin­bogen, aber dahinter wartet schon die für Gladiatore­nkämpfe gebaute Arena. Es liegt ein großer Reiz in der Dramaturgi­e, mit der das Aquarell die antiken Sehenswürd­igkeiten „enthüllt“. Zeitlich noch weiter zurück führt das Gemälde „Heimkehr einer Herde bei aufziehend­em Gewitter“, das Friedrich Gauermann 1853 geschaffen hat.

Durch Details wie das aufgerisse­ne Auge des galoppiere­nden Pferdes oder das flauschige Wollkleid der fliehenden Schafe verleiht der Biedermeie­rmaler den eilig Fliehenden noch mehr Lebendigke­it.

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dokumentie­rt durch Motive wie dieses aus Riva am nördlichen Ufer des Gardasees.
Die Sommermona­te verbrachte Robert Russ (1847–1922) oftmals in südlichere­n Gefilden, dokumentie­rt durch Motive wie dieses aus Riva am nördlichen Ufer des Gardasees.

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