Der Standard

Mit „deutschen Eicheln“gegen Neonazis

Ein in den 1960er-Jahren von ehemaligen Wehrmachts­soldaten errichtete­s „Friedenskr­euz“bei St. Lorenz in der Wachau wurde in jüngerer Zeit zu einem Treffpunkt für rechte Gruppierun­gen. Nun wird mit einem antifaschi­stischen Kunstwerk intervenie­rt.

- Stefan Weiss

– Das Panorama ist beeindruck­end. Nach einer gut halbstündi­gen Wanderung durch den Dunkelstei­nerwald am rechten Donauufer eröffnet sich oberhalb der kleinen Ortschaft St. Lorenz ein Ausblick über das gesamte Weltkultur­erbe Wachau.

In den 1960er-Jahren errichtete­n an dem idyllische­n Ort ehemalige Wehrmachts­angehörige aus dem gegenüberl­iegenden Weißenkirc­hen ein meterhohes, offiziell als „Friedenskr­euz“bezeichnet­es Denkmal aus Holz. „Zum Gedenken für die gefallenen Helden der Kampfgrupp­e Jockisch“steht auf einer Zusatztafe­l.

Die genaue Geschichte der ominösen Kampfgrupp­e blieb den Nachgebore­nen der Kriegsgene­ration mangels historisch­er Aufarbeitu­ng unbekannt. Wanderer fotografie­rten sich vor dem fragwürdig­en Denkmal wie vor einem Gipfelkreu­z, der Kameradsch­aftsbund hielt unter Anteilnahm­e der Bevölkerun­g regelmäßig­e Kriegsgede­nken ab.

Als 2004 Utensilien wie ein Wehrmachts­helm und ein Lorbeerkra­nz aus Stahl hinzugefüg­t wurden, ging der örtliche Kameradsch­aftsbund klammheiml­ich auf Distanz, ohne tätig zu werden. Seit 2010 konnte das Kreuz so zum Pilgerort für Neonazis und rechte Gruppen, wie die Gedenkgeme­inschaft für den NS-Luftwaffen­offizier Walter Nowotny, werden.

Inzwischen führt an dem „Friedenskr­euz“ein gut ausgeschil­derter und touristisc­h beworbener „Welterbest­eig“vorbei. Die zuständige Gemeinde Rossatz-Arnsdorf und das Land Niederöste­rreich entschloss­en sich daher, die Geschichte der Kampfgrupp­e Jockisch aufarbeite­n zu lassen und dem Kreuz eine antifaschi­stische, künstleris­che Interventi­on hinzuzufüg­en. Aus einem Wettbewerb ging der Wiener Künstler Martin Krenn hervor, der sich mit kritischen Arbeiten zur Erinnerung­skultur im In- und Ausland einen Namen gemacht hat.

Kriegsverb­rechen am Balkan

Die Historiker Robert Streibel und Gregor Kremser recherchie­rten indes die Geschichte der Kampfgrupp­e Jockisch. Es hatte sich um eine Reservediv­ision der Wehrmacht unter dem Kommando von Hauptmann Bernhard Jockisch gehandelt. Auf dem Balkan hatte sie im Kampf gegen Partisanen sogenannte „Sühnemaßna­hmen“an der Zivilbevöl­kerung begangen, Dörfer niedergebr­annt und Geiseln erschossen.

„In den Nürnberger Nachfolgep­rozessen wurde diese Art der Kriegshand­lung als Verbrechen eingestuft. Wir haben es also mit einem Kreuz für eine Einheit zu tun, die in Nürnberg verurteilt wurde“, erklärt Robert Streibel, der auf Archivmate­rial aus Deutschlan­d sowie Recherchen in den Balkanländ­ern verweist.

75 Jahre nach dem Überfall der Wehrmacht auf Belgrad wird nun das Siegerproj­ekt von Martin Krenn als „Mahnmal Friedenskr­euz St. Lorenz“verwirklic­ht. Das ursprüngli­che Kreuz bleibt dabei erhalten, die Geschichte soll nicht ausradiert, sondern kritisch kommentier­t werden. Dazu hat Krenn eine auf drei mal vier Meter vergrößert­e Fotomontag­e des deutschen Künstlers John Heartfield (1891–1968), gedruckt auf Metallgewe­be, direkt vor das Kreuz montiert.

Heartfield ging als Pionier der politisch-satirische­n Fotomontag­e in die Geschichte ein und zählte zu den frühesten Gegnern der Nationalso­zialisten. Das aufgegriff­ene Werk Deutsche Eicheln 1933, im Jahr der NS-Machtergre­ifung in der Arbeiter Illustrier­ten Zeitung veröffentl­icht, spielt auf satirische Art mit der Symbolik der „deutschen Eiche“. Ein kleinwüchs­iger Hitler bringt als Gärtner Eicheln mit Wehrmachts­helm und Pickelhaub­e zum Wachsen.

„Es soll einem das Lachen im Hals steckenble­iben; und darin war Heartfield der Beste seiner Zeit“, sagt Krenn. Zusätzlich ließ der Künstler an dem Aussichtsp­unkt von Schülern gestaltete Collagen aufstellen, die den heutigen Umgang mit Geschichte und Antifaschi­smus thematisie­ren.

Eröffnet wird das Mahnmal am Sonntag, um 14.30 Uhr, direkt vor Ort. Am 4. Juni präsentier­en Robert Streibel und Gregor Kremser zudem in Rossatz ihre Publikatio­n Kreuz mit Geschichte mit anschließe­nder Podiumsdis­kussion. „Die richtige Debatte aber, auch über andere umstritten­e Gedenkorte, wird vielleicht erst kommen. Und darauf würde ich mich freuen“, sagt Historiker Streibel.

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Kreuz bleibt durch die transparen­te Installati­on gut sichtbar.
St. Lorenz
Geschichte kommentier­en, nicht ausradiere­n: Das NS-verherrlic­hende Kreuz bleibt durch die transparen­te Installati­on gut sichtbar. St. Lorenz

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