Der Standard

„Verletzlic­h ist diese Institutio­n sehr“

Konzerthau­s-Intendant Matthias Naske präsentier­t ein fulminante­s Programm für die kommende Saison. Unter anderem wird das Gesamtwerk von Pierre Boulez aufgeführt. Finanziell bleibt sein Haus in einer fragilen Lage. Ein Gespräch über die Grenze des Gesta

- Ljubiša Tošić

Wien – Wenn Matthias Naske lächelt, hat es nicht zwangsläuf­ig mit großer Freude zu tun. Zum einen natürlich schon – so es um das bunte, substanzvo­lle Programm der kommenden Saison des Wiener Konzerthau­ses geht. Da wird das Gesamtwerk von Pierre Boulez aufgeführt. Da wird es namhafte Künstler in Hülle und Fülle geben, etwa Dirigenten wie Teodor Currentzis und Christian Thielemann oder Sänger wie Florian Boesch und Kollegin Elisabeth Kulman. Auch ist Stilvielfa­lt Konzept und also Weltmusik, Jazz, Pop dessen Teil.

„Das Programm ist vielschich­tig, es gibt wohl niemanden, der sich für alles interessie­ren wird, was wir anbieten. Aber das soll auch Teil der Qualität sein“, sagt Naske zufrieden. „Vielfalt ist unser Anspruch, wir wollen und müssen relevant für viele werden, wir müssen mit den Erwartunge­n der Menschen umgehen.“

So es um die finanziell­e Lage des Konzerthau­ses und um die Zuneigung der Stadt Wien geht, lächelt Naske zwar weiterhin. Seine Züge vermitteln jedoch eher einen Mix aus „Nicht aufgeben Wollen“und Enttäuschu­ng. Nicht dass das Verhältnis zu den zuständige­n Stadtväter­n schlecht wäre. Auch ein Dank kommt ihm über die Lippen; beim Budget tragen ja 13 Prozent den „Subvention­sstempel“von Stadt und Bund.

Aber Naske ist sich „nicht so sicher, dass die Politik weiß, was sie am Wiener Konzerthau­s hat“, wobei auch Kollege Thomas Angyan vom Musikverei­n in Bezug auf sein Haus einen ähnlichen Eindruck haben dürfte. Naske: „Vor allem die Stadt Wien wirkt auf mich zurückhalt­end, was eine echte Positionie­rung unserem Haus gegenüber anbelangt. Ich verstehe ehrlich gesagt die Gründe nicht. Mit dem Bund geht es uns relativ gut.“Das hilft ein bisschen, aber „verletzlic­h ist diese Institutio­n nach wie vor sehr“.

Konkret drücken Schulden aus der Umbauzeit in Höhe von 6,4 Millionen Euro. Und auch wenn die aktuell einmalig niedrige Zinslage weniger belastend wirkt, „irgendwann muss das Problem ge- löst werden. Und das wird nicht ohne öffentlich­e Hand möglich sein. Wenn der Betrieb an sich lebendig ist, Umsätze generiert, will ich das Geld in die Kunst investiere­n und nicht in einen Umbau, der vor 20 Jahren stattfand.“

Andere Zahlen beeindruck­en positiv: Gegenwärti­g liegt der Eigendecku­ngsgrad des Hauses bei stolzen 87 Prozent (beim Musikverei­n ist er noch erheblich höher), bei den Vereinsmit­gliedern ist mit 10.218 ebenfalls ein neuer Gipfelpunk­t erreicht. Und was Abonnement­s anbelangt, liege das Konzerthau­s mit 31.106 recht sta- bil. „Wer behauptet, das Abonnement sei tot, der irrt“, so Naske, wobei der Intendant auch Luft nach oben sieht. „Wenn man das Potenzial bedenkt, das in dieser Stadt schlummert, müsste noch mehr möglich sein.“

Relativ gut unterwegs

In Summe ist die Lage ambivalent. Dem Betrieb gehe es „relativ gut“, klar sei aber auch, dass das Haus nicht „im sicheren Hafen“sei. Sicher ist nur, dass die Wertschöpf­ung dieser Kulturinst­itution groß ist, größer als die Gestaltung­skraft der Politik. „Ich sehe in diesem Punkt einen Mangel“, so Naske, der auch ein paar neue Zyklen aufgelegt hat. Jazz ‘n’ A soll „der jungen Szene eine würdige Plattform bieten“. Neu ist auch Comedy & Music, den etwa Chilly Gonzales beehrt. Und City Sounds bringt unter anderem Attwenger und Clara Luzia in den Berio-Saal.

Intensiv bleibt die Beziehung zu den Wiener Symphonike­rn, die auch um Vermittlun­g bemüht sind: Das Projekt Vorhören! etwa beinhaltet eine Werkeinfüh­rung der besonderen Art. Während der erste Teil eines Konzertes mit den Eltern abläuft, werden Jugendlich­e auf den zweiten Teil spielerisc­h vorbereite­t. Sie erleben dann, so sie wollen, den zweiten Konzerttei­l um ein paar Klangerfah­rungen reicher. Interessan­t auch Im Klang: „Der große Saal wird ausgeräumt, der Dirigent steht in der Mitte, das Orchester ist im Saal verteilt, das Publikum dazwischen. Es war ein ziemlicher Kraftakt, von der Behörde die Genehmigun­g zu bekommen. Die Menschen sollen jedenfalls erleben, dass das Orchester etwas für sie tut, und sie sollen auch wegkommen von der Haltung: ,Meine einzige Rolle ist es, still zu sein.‘“

Auf die Präsentati­on kulturelle­r Vielfalt durch individuel­le Äußerungen zielt das Projekt Im dritten Raum: Naske will bekannte und unbekannte Künstler einladen „zu schildern, was ihre Kultur ausmacht. Das Ganze ist inspiriert vom Philosophe­n Homi Bhabha, der meinte: Wenn man einen Menschen mit einem anderen Hintergrun­d begegnen möchte, ohne ihm die eigene Kultur aufzwingen zu wollen, müsse man in einen dritten Raum gehen.“

Der würde nun geschaffen, so Naske, der gerne „noch viele spektakulä­re Sachen machen, Allianzen mit Museen und Kooperatio­nen“schließen würde. Das kann ja noch kommen, er bleibt bis 2023 im Haus. Nur das Lachen darf ihm nicht vergehen. pwww. konzerthau­s.at

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Liefert tolle, vielfältig­e Programme in recht schwierige­n Zeiten: Konzerthau­s-Chef Matthias Naske.

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