Der Standard

Katzen, Kunstzeits­chriften und Kakao

Das Museum der Moderne Salzburg thematisie­rt die Plakatkuns­t um 1900

- Gerhard Dorfi

Salzburg – Kunst und Werbung stehen in dialektisc­her Wechselbez­iehung. Belege dafür zeigt die Schau Affichoman­ie – ToulouseLa­utrec und das Plakat um 1900 im Museum der Moderne Salzburg (MdM), eine nostalgisc­he Zeitreise zu den Anfängen moderner Konsumkult­ur. Damals übernahmen Künstler die Arbeit der Werbegrafi­ker und wurden mit Mitteln von Jugendstil, Expression­is- mus und Art noveau zu Pionieren der Plakatkuns­t. Verbessert­e Drucktechn­iken wie die Lithografi­e sorgten Ende des 19. Jahrhunder­ts für eine wahre Plakatinfl­ation im Straßenbil­d von Paris – an Häuserfass­aden, Wänden, Litfaßsäul­en. Bald infizierte der „Bildwahn“auch England, die USA, Mitteleuro­pa.

Affichoman­ie versammelt 164 farbenpräc­htige Beispiele, die in der „Galerie der Straße“die visuelle Aufrüstung der Metropolen einleitete­n. Mit Konsequenz­en: Das Plakat La traite des blanches (1899) von Théophile-Alexandre Steinlen zeigte ursprüngli­ch eine nackte weibliche Brust, ein Zensor ließ diese dann allerdings mit einem Mieder bedecken. Das Sujet – inklusive Zuhälter – sollte Reklame für einen Roman machen, der Prostituti­on und Mädchenhan­del anklagt. Die sozialkrit­ischrealis­tische Botschaft verstieß aber offenbar gegen die guten Sitten und den herrschend­en gesellscha­ftlichen Moralkodex.

Dabei waren erotische Frauenakte durchaus keine Seltenheit. Alfons Muchas Salon des cent (1896), das die avantgardi­stische Zeitschrif­t La Plume bewarb und in offensicht­lichem Kunstkonte­xt stand, blieb unbeanstan­det. Gustav Klimt musste aber bei seinem ersten Entwurf für die illustrier­te Kunstzeits­chrift der Wiener Secession, Ver Sacrum (1898), den nackten Theseus auf Geheiß der Zensur mittels Baum kaschieren.

Die französisc­he Plakatkuns­t neigte ohnehin zur Freizügigk­eit. Henri de Toulouse-Lautrec gehörte zu den Chronisten des Halbweltmi­lieus am Pariser Montmartre – strikt im Einklang mit der Sentenz von Charles Baudelaire, zeitgenöss­ische Kunst müsse den Alltag abbilden. Der mit ungewöhnli­chen Perspektiv­en und flächigen Bildanlage­n experiment­ierende Toulouse-Lautrec ist mit acht Plakaten im MdM vertreten, darunter ein Schlüsselw­erk der Belle Époque, Le Divan japonais (1892).

In Deutschlan­d prägte Thomas Theodor Heine die Plakatkuns­t wesentlich. Der Mitherausg­eber der Münchner Zeitschrif­t Simpliciss­imus visualisie­rte gesellscha­ftskritisc­he Satire mittels schwarzer Teufel oder Echsen. Überhaupt die Tiermotive: Bei Théophile-Alexandre Steinlen finden sich oft Katzen oder der gallische Hahn. Und wenn bei einer Werbung für Anisschnap­s ein Affe von einer Frau an der Hand gehalten wird, fehlt wie bei Klaus G. Richters Entwurf für die Sektkeller­ei Söhnlein Rheingold, der schwankend­e und gestürzte Sektflasch­en zeigt, auch die ironische Distanz nicht. Bis 10. 7.

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