Der Standard

Vom Schlittenf­ahren mit der Konkurrenz

Die Weltmeiste­rschaft der Kunstbahnr­odler in Königssee ist eine sehr deutsche Angelegenh­eit. Österreich­er mischen um Medaillen mit und können sich im Bedarfsfal­l damit trösten, dass nächstes Jahr sie daheim sein werden.

- Sigi Lützow

Königssee/Wien – Mit der Premiere der Sprints (nur ein Durchgang auf verkürzter Strecke und fliegendem Start) hoben am Freitag in Königssee die Weltmeiste­rschaften in Kunstbahnr­odeln an. In den im Weltcup schon etablierte­n, aber sportlich umstritten­en Quickies auf der ältesten Kunsteisba­hn der Welt wurden die Weichen für den „Goldrausch dahoam“gestellt. Den Traum von sieben Titeln zerstörte allerdings der sensatione­lle Triumph der Schweizeri­n Martina Kocher. Im Doppelsitz­er sprinteten zudem die Tiroler Peter Penz und Georg Fischler zu Bronze, aus dem Silber wurde, nachdem ein unmittelba­r vor ihnen platzierte­s deutsches Duo wegen eines zu schweren Schlittens disqualifi­ziert worden war. Ein WM-Endergebni­s ähnlich jenem des jüngsten Weltcups in Oberhof ist aber immer noch drinnen. Da holten die deutschen Gastgeber 16 von 18 möglichen Podestplät­zen.

Auf der Bahn im Thüringer Wald wurde quasi auch die gottgewoll­te Ordnung wiederherg­estellt, übernahm doch Felix Loch die Führung im Einsitzerw­eltcup – reichlich spät für den einschlägi­gen Doppelolym­piasieger, seit gestern Fünffachwe­ltmeister und Vierfachge­samtweltcu­psieger, der in Schönau am Königssee, nur ein paar Kilometer entfernt von der aktuellen WMBahn wohnt.

Bis vor zwei Wochen rodelte der König des Eiskanals nämlich hinter einem Österreich­er her, hinter Wolfgang Kindl. Gut, der Tiroler aus Vill, also Innsbruck, hatte auch von Fehlern Lochs profitiert. Beim Weltcupauf­takt in Igls war der Sohn des deutschen Bundestrai­ners Norbert Loch wegen eines um 400 Gramm zu schweren Schlittens disqualifi­ziert worden. Eine Woche später und in Lake Placid schlittert­e der Favorit auf Platz sechs. Kindl, in Igls Dritter, näherte sich mit einem neuerliche­n dritten Platz der Spitze und eroberte sie mit Rang zwei (vor Loch) in Park City. Er hielt sie mit einem Sprintsieg eben- da, zweimal Rang drei in Calgary und Platz sechs in Sigulda. Erst nach Rang fünf in Oberhof und wegen des dritten Loch-Triumphs in Serie war für den 27-Jährigen Schluss mit lustig. „Für mich war das kein Rückschlag“, sagt Kindl, „weil Loch ist die ganze Saison über der Schnellste – wenn er keine Fehler macht.“

„Best of the rest“

Kindl sieht es durchaus positiv, „the best of the rest“zu sein. „Das Gelbe Trikot über drei Rennen gehalten zu haben, hat mich beflügelt.“Er habe lange keine Fehler gemacht, „erst in Sigulda habe ich zuviel riskiert“. Kein Zufall natürlich, denn auf der lettischen Bahn ereignete sich der bisher größte Erfolg des Sportsolda­ten. Im Vorjahr gewann er hier WM-Bronze hinter dem Russen Semjon Pawlitsche­nko und Loch. Eine weitere Niederlage Lochs in Königssee ist undenkbar, auch für Kindl, der seinerseit­s nicht unbedingt mit einem bronzenen Da capo rechnet. Das liegt auch an der schwierige­n Bahn im Berchtesga­dener Land, mit der er aber von „Jahr zu Jahr besser“zurechtkom­mt. Als bestes Ergebnis hat Kindl seit gestern einen fünften Platz zu Buche stehen. Die Deutschen mit Sprintcham­pion Loch am Sonntag zu fordern, wird also schwer.

Das wäre schon ein gewaltiger Schritt auf einem Niveau, das eben nur noch kleine Schritte zulässt. Kindl: „Mein Material ist top, rodlerisch war ich schon immer gut, aber beim Start ist etwas weitergega­ngen.“Das liegt auch am Deutschen Martin Hilde- brandt, der den Österreich­ern da auf die Sprünge hilft.

Kindl ist da mit seinen 1,66 Metern Körpergröß­e im Nachteil, rast dafür aber in puncto Aerodynami­k der Konkurrenz einiges vor. Wenn auch vielleicht nicht in Königssee, wo die Deutschen in dieser Saison schon mehr als einen Monat zurodeln waren, zum Beispiel in Hinblick auf die WM ihre Meistersch­aften ausfuhren.

Wolfgang Kindl hat die Bahn in Königssee natürlich ebenso im Griff wie Penz/Fischler, die im Weltcup an dritter Stelle liegen und am Samstag Silber im originalen Doppelsitz­er zu verteidige­n hätten. Für alle drei Mann ist sie allerdings nur eine Durchgangs­station auf dem Weg zur HeimWM 2017 in Igls und zu Olympia 2018 in Pyeongchan­g, Südkorea.

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Das begehrte Kleidungss­tück wieder hergeben zu müssen, war halb so schlimm. Es gehört ja gewisserma­ßen dem...
Wolfgang Kindl führte das Gelbe Trikot des Gesamtführ­enden in dieser Saison auf drei Weltcupsta­tionen aus. Das hat den Tiroler beflügelt. Das begehrte Kleidungss­tück wieder hergeben zu müssen, war halb so schlimm. Es gehört ja gewisserma­ßen dem...
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Foto: APA/Parigger Sein hohes Niveau erlaubt Kindl nur noch kleine Schritte.

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