Der Standard

Schärfere Asylgesetz­e stabilisie­ren Berliner Koalition

Familienna­chzug wird eingeschrä­nkt, CSU erklärt Streit für beendet, behält sich aber Verfassung­sklage vor

- Birgit Baumann aus Berlin

Eigentlich hätte er in München gut zu tun gehabt, doch Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Horst Seehofer ließ es sich nicht nehmen, am Freitag in Berlin noch persönlich über die Ergebnisse des Asylgipfel­s vom Vorabend zu informiere­n – und zwar nicht nur über die Inhalte, sondern auch über seine eigene Befindlich­keit.

Diese ist gut. „Ich bin sehr zufrieden“, erklärte er. Schließlic­h hatten sich Seehofer, Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel nach dreimonati­gem Gezerre auf Verschärfu­ngen bei den Asylgesetz­en geeinigt.

Der wichtigste Punkt, bei dem sich auch die CSU durchgeset­zt hat: Das Recht auf Familienna­chzug wird für alle Flüchtling­e, die den geringeren Status des sogenannte­n subsidiäre­n Schutzes haben, für zwei Jahre ausgesetzt. Das wird auch wieder für einen Teil der Syrer gelten, die zuletzt fast ausnahmslo­s als Bürgerkrie­gsflüchtli­nge nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n anerkannt worden waren. Die SPD hatte nur ein Jahr aussetzen beziehungs­weise Syrer ausnehmen wollen.

Weitere Neuerungen: Abschiebun­gen sollen nur noch dann aus- gesetzt werden, wenn der Betreffend­e eine lebensbedr­ohliche oder schwerwieg­ende Erkrankung hat, die sich durch die Abschiebun­g verschlech­tern würde. Während des Asylverfah­rens dürfen sich Asylwerber nur im Bezirk der jeweiligen Ausländerb­ehörde aufhalten. Flüchtling­e müssen sich künftig mit zehn Euro pro Monat an den Kosten von Sprach- und Integratio­nskursen beteiligen.

Fünf Registrier­zentren

Bundesweit werden fünf Registrier­zentren eingericht­et, in denen beschleuni­gte Asylverfah­ren für Flüchtling­e aus sicheren Herkunftss­taaten vorgenomme­n werden. Die Koalition will die Liste der sicheren Herkunftsl­änder um Algerien, Marokko und Tunesien erweitern. Dafür braucht sie aber die Zustimmung der Grünen im Bundesrat. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) zeigt sich offen.

Trotz der Einigung hält Seehofer an seinem Brief an Merkel fest. Sollte Merkel keine Obergrenze von 200.000 Flüchtling­en pro Jahr festlegen, werde der Freistaat Bayern Klage beim Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe einreichen. Denn, trotz aller Zufriedenh­eit über die Einigung, betont See- hofer auch: „Wir sind noch nicht über den Berg.“Für ihn sei aber ganz klar: „Wir wollen diese Koalition.“Auch Merkel sprach von einem „guten Tag“. Sie will das Paket jetzt möglichst schnell in den Bundestag bringen.

In Villingen-Schwenning­en (Baden-Württember­g) haben Unbekannte einen Handgranat­enAnschlag auf eine Flüchtling­sunterkunf­t verübt. Die Granate sei mit Sprengstof­f gefüllt gewesen, aber nicht explodiert, so die Poli- zei. „Das Ausmaß der Gewalt ist erschrecke­nd“, sagt Justizmini­ster Heiko Maas (SPD). „Wir können alle nur dankbar sein, dass dieses Mal niemand verletzt wurde.“

Geklärt hat sich die angebliche Entführung und Vergewalti­gung einer 13-jährigen Deutschrus­sin in Berlin durch Flüchtling­e, die für Ärger zwischen Moskau und Berlin geführt hatte. Das Mädchen hatte die Geschichte erfunden und die Nacht bei einem Freund verbracht.

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gebessert – dank des Asylpakets, das die Koalition beschloss.
Das Verhältnis von Horst Seehofer und Angela Merkel hat sich wieder gebessert – dank des Asylpakets, das die Koalition beschloss.

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