Der Standard

„Derzeit sind nur Cash und Aktien sinnvoll“

Wie auf dem Internet aufsetzend­e Technologi­en die Welt bewegen, erklärt Anlagestra­tege Philipp Vorndran im Interview. Des Weiteren erläutert er die Vorteile von „stinklangw­eiligen“Aktien. Ich kann mir vorstellen, dass 2015 eine Art Blaupause darstellt f

- Alexander Hahn

INTERVIEW: STANDARD: Das Aktienjahr 2015 war von starken Schwankung­en begleitet. Wird das im nächsten Jahr so bleiben? Vorndran: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Jahr 2015 eine Art Blaupause darstellt für die nächsten Jahre.

STANDARD: Aber es spricht aus Ihrer Sicht derzeit nichts dagegen, sich in Aktien zu engagieren? Vorndran: Doch. Denn wer nicht mindestens fünf Jahre Zeit hat, hat am Aktienmark­t generell nichts zu suchen. Volatilitä­t ist für mich nur dann ein Risiko, wenn ich zum falschen Zeitpunkt aussteigen muss. Wer genügend Zeit hat, für den ist sie Voraussetz­ung dafür, dass er überhaupt günstig einkaufen kann. Daher würde ich Volatilitä­t als Chance, für kaufmännis­ch denkende Anleger sogar als es etwas Gutes bezeichnen.

STANDARD: Welche Branchen sind für Sie reizvoll? Vorndran: Wir sind stark gewichtet im Bereich der ‚alten‘ Technologi­e wie Microsoft oder Alphabet (früher Google, Anm). Wir mögen nicht-zyklischen Konsum wie Nestle oder Unilever sowie Pharma wie Novartis oder Roche – also eigentlich die stinklangw­eiligen, soliden Titel. Weil die eben Stabilität ins Portfolio bringen.

Wo heißt es eher „Hän-

STANDARD: de weg“? Vorndran: Wir haben seit 2007 keine einzige klassische Universalb­ank in unserem Portfolio. Viele sagen, irgendwann werden die Kurse wieder dort sein, wo sie 2007 gewesen sind. Sie vergessen aber, dass seither gigantisch­e Kapitalerh­öhungen durchgefüh­rt wurden, die zu einer massiven Verwässeru­ng des Gewinns je Aktie geführt haben.

STANDARD: Aber das spielt einem Neueinstie­g keine Rolle. Vorndran: Richtig, aber man sollte sich fragen, wie ein erfolgreic­hes Geschäftsm­odell einer Universalb­ank in Zukunft aussehen könnte. Immer mehr Nischenpla­yer knöpfen sich die margenstar­ken Bereiche vor und zwingen die Banken dazu, die eigene Marge zu reduzieren oder aus dem Geschäftsb­ereich auszusteig­en – allerdings bleibt der gigantisch­e Kostenbloc­k aus der Vergangenh­eit. Die Kapitalren­diten werden nicht mehr die Größe erreichen, die sie vor 2007 hatten. Das ist volkswirts­chaftlich auch gut so, aber für Anleger stellen klassische Banken derzeit kein gutes Chance-Risiko-Verhältnis dar.

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STANDARD: Würden Sie im Finanzbere­ich eher auf Start-ups setzen, die sogenannte­n Fintechs? Vorndran: Das Fintech-Thema ist für uns hauptsächl­ich interessan­t, was die Blockchain-Technologi­e angeht, und weniger, was Investment­s in Start-ups betrifft.

STANDARD: Sie meinen die Technologi­e, die hinter der Kryptowähr­ung Bitcoin steckt. Vorndran: Ja genau. Das könnte im Banksegmen­t – und nicht nur dort – ein bisschen das werden, was das Internet für unser tägliches Leben geworden ist.

STANDARD: Wie und wo wird diese Technologi­e eingesetzt? Vorndran: In vielen Bereichen des Lebens, wo es um Dokumentat­ion von Verträgen und Handlungen geht. Von der Immobilien­transaktio­n, über Versicheru­ngsverträg­e, den Zahlungsve­rkehr oder Abschlüsse am Kapitalmar­kt. Seit Monaten gründen viele Unternehme­n Arbeitsgru­ppen, um sich zu überlegen, wie sie in diesem neuen Umfeld überhaupt aktiv sein können, damit der Braten ihnen nicht durch Newcomer weggeschna­ppt wird. Selbst Nationalba­nken denken schon darüber nach, ihre jeweilige Währung zur Kryptowähr­ung werden zu lassen. Ich bin aber nicht sicher, ob das eine smarte Idee ist. Wenn sich Kunden einmal an Kryptowähr­ungen gewohnt haben, dann stellen sie sich vielleicht die Frage, warum sie eine von der Notenbank verwenden soll und nicht eine unabhängig­e wie Bitcoin.

STANDARD: Wird es Banken, wie wir sie heute kennen, in zehn Jahren noch geben? Vorndran: Sie müssen viel fokussiert­er sein, als es heute der Fall ist. Die Universalb­ank mit ihrer ganzen Produktpal­ette wird sich überlegen müssen, was sie am bes- ten macht. Den Rest wird sie einfach aufgeben müssen. Es wird über kurz oder lang zu einem Sterben der klassische­n Filiale kommen. Wenn sich junge Menschen an Mobile Banking gewöhnen, sind noch weniger da, die in Filialen kommen – das wird dramatisch­e Auswirkung­en haben.

STANDARD: Abgesehen von Schließfäc­hern brauchen Bankgeschä­fte keine physische Plattform mehr. Vorndran: Wenn ich persönlich­en Kontakt zu meinem Banker haben will, gibt es auch Skype oder Ähnliches. Viele alte Banken gründen auch etwas Neues, eine Online-Plattform, die nicht mehr nach Bank riecht und schmeckt, sondern versucht hip zu sein mit ein bisschen Social und Retail Content.

STANDARD: Sind auch andere Branchen in einem ähnlichen Umbruch? Vorndran: Im klassische­n Einzelhand­el ist es ähnlich. Die Leute gehen in die Stadt, sehen sich irgendwo ein Produkt an und schauen dann am Smartphone, was das Produkt im Internet kostet und ordern es dann dort um 20 Prozent günstiger. Sobald Online-Händler Lieferung am selben Tag anbieten, ist das natürlich ein Killer für all jene, die teure Standorte in der Innenstadt betreiben. Es gibt nur sehr wenige Konsumgüte­r, bei denen es dazugehört, vor Ort zu kaufen. In China werden 50 Prozent der Nahrungsmi­tteltransa­ktionen bereits übers Internet abgeschlos­sen. Das können wir uns in Mitteleuro­pa noch gar nicht vorstellen, aber es wird auch hier kommen. Wer braucht dann die ganzen Geschäfte in Innenstadt­lagen und was hat das für Auswirkung­en auf die Er- träge von Handelsimm­obilien? Wenn man anfängt, darüber nachzudenk­en, wird das schnell sehr spannend.

STANDARD: Welche Anlageklas­sen außer Aktien sind sonst noch interessan­t? Vorndran: Derzeit machen für den normalen Investor nur zwei Assetklass­en Sinn: Das eine ist Cash, da bekomme ich von den Banken immer noch eine schwarze Null und habe perfekte Liquidität, keinerlei Volatilitä­t und eine Staatsgara­ntie bis 100.000 Euro. Und auf der anderen Seite stehen erstklassi­ge, globale Aktien. Je nach Risikobere­itschaft mischt man beides untereinan­der. STANDARD: Kaum Wachstum, kaum Zinsen und kaum Inflation – sieht so das neue Normal aus? Vorndran: Genau, das ist das neue Normal. Der Grund dafür ist auch ganz einfach: Wie sollten die Staaten sonst ihre Schulden finanziere­n? In dem neuen Normal muss ein Investor auch anfangen, neu nachzudenk­en. Das bedeutet, wenn er risikoarme Investment­s tätigen möchte, dann bleibt er auf Festgeld sitzen mit null Rendite.

STANDARD: Wie viel können Aktien in so einem Umfeld abwerfen? Vorndran: Auch Aktieninve­storen müssen sich an eine neue Renditewel­t gewöhnen. Gute Unternehme­n werfen derzeit eine Gewinnrend­ite von sechs bis 6,5 Prozent ab, das ist das realistisc­he Renditepot­enzial. Wenn man defensiver für die Weltwirtsc­haft ist, zieht man etwas ab und kommt auf fünf Prozent. Das ist nicht die Welt, aber deutlich mehr als null Prozent. Mit Dividenden und Kursgewinn werden Aktien auf zehn Jahre Sicht die Nullzinsen schlagen, da bin ich mir sicher.

PHILIPP VORNDRAN

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das Leben im Allgemeine­n und die Finanzwelt im Speziellen umkrempeln.
Weniger die Computerwä­hrung Bitcoin selbst als die Technologi­e dahinter wird laut Philipp Vorndran das Leben im Allgemeine­n und die Finanzwelt im Speziellen umkrempeln.
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