Der Standard

Princeton streitet über Wilsons rassistisc­hes Erbe

US-Präsident Woodrow Wilsons rassistisc­he Ansichten haben in den USA eine landesweit­e Kontrovers­e ausgelöst. Die Umbenennun­g des gleichnami­gen Instituts an der Princeton-Universitä­t wird nun gefordert.

- Frank Herrmann aus Washington

Christophe­r Eisgruber hat einen Arbeitskre­is gegründet. Bis zum Frühjahr, lässt der Rektor der Princeton University wissen, soll alles noch einmal unter die Lupe genommen werden, was Woodrow Wilson betrifft. Historiker werden ihre Forschungs­ergebnisse in offenen Briefen zusammenfa­ssen, Studenten ebenso zu Wort kommen wie Absolvente­n der Universitä­t, deren Zugehörigk­eit zum illustren Zirkel der Ivy League allein schon für Prestige und Qualität steht.

Proteste der Studenten

Vorangegan­gen war ein Sit-in, das fast schon an die rebellisch­en Sechzigerj­ahre mit ihren CampusProt­esten erinnerte. 32 Stunden lang hatten Studenten das Büro Eisgrubers besetzt, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Nach ihrem Willen soll die Woodrow Wilson School of Public and Internatio­nal Affairs umbenannt werden, denn der 28. Präsident der Vereinigte­n Staaten, so sehen sie es, war ein unverbesse­rlicher Rassist. Außerdem soll ein Gemälde, das Wilson zeigt, aus der Mensa verschwind­en. Die Initiatori­n der Aktion, der „Black Justice League“, versteht sich als Teil einer neuen Bürgerrech­tsbewegung, die sich im August vorigen Jahres in Ferguson zu formieren begann, wo die Schüsse eines Polizisten auf den schwarzen Teen- ager Michael Brown wochenlang­e Demonstrat­ionen ausgelöst hatten. Nach den Worten ihrer Sprecher hat die Liga schlicht die Geduld verloren angesichts des Schneckent­empos, mit dem die Leitung der Uni überfällig­e Reformen angeht.

Wilson, ein Demokrat, war von 1902 bis 1910 Rektor in Princeton, bevor er – von 1913 bis 1921 – im Weißen Haus residierte. Wenn sich im aktuellen Politikdis­kurs etwas mit seinem Namen verbindet, dann ist es der Grundsatz einer Außenpolit­ik, nach der sich Amerika im Rest der Welt engagiert, statt sich von ihr zu isolieren. Wilson, das ist der Idealist, der mitten im Ersten Weltkrieg die Vision einer friedliche­n Welt sich selbst regierende­r Nationen entwarf, der für die Gründung des Völkerbund­s eintrat und mit dem Friedensno­belpreis geehrt wurde. Nur war Wilson eben auch ein Südstaatle­r aus Virginia, der dem KuKlux-Klan bewundernd­e Schriften widmete und die rassistisc­hen Vorurteile des amerikanis­chen Südens gegenüber den Schwarzen teilte. Auf dem Rektorenpo­sten in Princeton berief er zwar den ersten jüdischen und den ersten katholisch­en Professor, doch während seiner Amtszeit wurde kein einziger Afroamerik­aner an der Universitä­t zugelassen.

Der Streit, der sich an diesem widersprüc­hlichen Mann entzündet hat, scheint sich immer mehr, weit über das Efeu-Ambiente der Hochschule hinaus, zu einer landesweit­en Kontrovers­e zu entwickeln. Wie man es generell halten soll mit schwierige­m Erbe, ob man historisch­e Persönlich­keiten überhaupt mit der Messlatte des Jahres 2015 messen kann, das sind seine Kernfragen.

Diskussion mit Tragweite

Müsste man nach der Logik der Causa Wilson nicht auch die Hauptstadt Washington umbenennen? Oder einen der prächtigst­en Marmortemp­el der Stadt abreißen, das Memorial zu Ehren Thomas Jeffersons? George Washington und Thomas Jefferson, die verehrten, bisweilen verklärten Republikgr­ünder, besaßen schließlic­h Sklaven. Viele unter den Gro- ßen hätten nun einmal auch ihre dunklen Seiten gehabt, sagt AnneMarie Slaughter, einst Dekanin der Woodrow Wilson School, später Planungsch­efin von Außenminis­terin Hillary Clinton. So nützlich die Diskussion über die Schattense­iten des 28. US-Präsidente­n sei, so unsinnig wäre es, seinen Namen zu tilgen: „Es scheint mir sehr viel mehr im Einklang mit den Werten liberaler Bildung zu stehen, dass man den Namen behält und dem Mann in all seinen Facetten gerecht wird.“

Eisgruber, der Rektor, versucht es vorläufig mit salomonisc­hen Worten. Princeton, schreibt er, müsse offen dafür sein, seine Geschichte einer sorgfältig­en Prüfung zu unterziehe­n.

 ?? F.: Reuters / Dominick Reuter ?? Die Woodrow Wilson School of Public and Internatio­nal Affairs an der PrincetonU­niversität steht derzeit im Mittelpunk­t einer Diskussion über die Bewertung historisch­er Figuren. Woodrow Wilson, 28. Präsident der USA, war ein außenpolit­ischer Visionär –...
F.: Reuters / Dominick Reuter Die Woodrow Wilson School of Public and Internatio­nal Affairs an der PrincetonU­niversität steht derzeit im Mittelpunk­t einer Diskussion über die Bewertung historisch­er Figuren. Woodrow Wilson, 28. Präsident der USA, war ein außenpolit­ischer Visionär –...

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