Mexikanische Polizei macht Jagd auf Migranten
USA unterstützen Abschottung der Südgrenze – Kritiker: Humanitäre Politik über Bord geworfen
Es begann kurz vor Sonnenuntergang. „Wir saßen auf dem Zug, der Bahnhof war bereits in Sichtweite“, erzählt Angel Pérez Almeida später in dem Migrantenquartier von Apizaco in Zentralmexiko. Als der Kubaner das Polizeiauto sah, ahnte er Böses. Zweimal schon hatten ihn Polizisten ausgeraubt. Er duckte sich auf dem Zugdach. „Da gingen die Schüsse los.“
Aus dem Augenwinkel sah der 44-Jährige zwei Reisegefährten zusammensacken. In Panik sprangen er und die übrigen Migranten von der „Bestie“, wie der Güterzug, der Mexiko von Süd nach Nord durchquert, genannt wird. 13 von ihnen überlebten, ein Hon- duraner starb, ein Nicaraguaner wurde schwer verletzt. Mexiko wird von den USA im Rahmen des Programms „Southern Border“dafür bezahlt, die Grenze abzuschotten, damit Migranten unterwegs aufgeben. Einer Studie des Washingtoner Büros für Lateinamerika zufolge zahlten die USA für Ausbildung und Ausrüstung mexikanischer Grenzschützer und Migrationsbeamter bisher zehn Millionen US-Dollar.
Bis vier Uhr früh seien sie verhört worden, sagt der Mechaniker. Wegen der Schüsse wird gegen die Gemeindepolizei ermittelt, die eine Beteiligung leugnet. „Die Migranten konnten nur sehen, dass sie blau-weiße Uniformen trugen“, erzählt Priester Elías Dávila Espinoza, Leiter der Migran- tenherberge, in der die 13 Überlebenden wohnen, die auf ein humanitäres Visum hoffen. Die Chancen stehen bei 20 Prozent.
Mexiko habe in den ersten acht Monaten des Jahres fast 100.000 Migranten deportiert, erklärt Oscar Castro, Ex-Vorsitzender des Lateinamerikanischen Observatoriums für Menschenhandel. Fast die Hälfte sei direkt an der Südgrenze im Bundesstaat Chiapas abgefangen worden. Dort wurden 600 zusätzliche Polizisten stationiert, neue Grenzposten eröffnet und Straßensperren errichtet. Die Migranten sollen daran gehindert werden, in Verladebahnhöfen auf die „Bestie“aufspringen. Der Zug sei lebensgefährlich, die Maßnahmen dienten dem Schutz der Migranten, so die offizielle Begründung. Sie verlegen die Routen aber nur auf gefährlichere Umwege.
„Mehrmals überfallen“
„Da wir nicht auf den Zug konnten, gingen wir 500 Kilometer zu Fuß“, erzählt der Salvadorianer Ricardo Alemán, die Füße voller Blasen. „Wir wurden mehrmals überfallen. Einmal verfolgten uns Räuber mit Macheten. Ein anderes Mal kreiste uns die Migrationspolizei ein“, sagt der Koch.
Der Migrantendienst der Jesuiten kritisierte Mexikos Regierung scharf. Migranten zu verfolgen und misshandeln sei zur offiziellen Strategie geworden. Priester Dávila forderte die Regierung auf, Menschenrechtsabkommen zu respektieren. Kritiker meinen, die Regierung werfe humanitäre Politik über Bord, um die „Drecksarbeit für die USA“zu erledigen.
Mexiko wird heuer voraussichtlich 70 Prozent mehr Migranten abschieben als 2014, die USA laut US-Institut für Migrationspolitik hingegen um die Hälfte weniger.