Suche nach einem Ausweg aus Gewaltspirale in Nahost
Vor dem Hintergrund der Serie von Attacken von Palästinensern auf Israelis wächst die Sorge. Diese Woche soll es Vermittlungsversuche geben, die Erwartungen sind aber einmal mehr gering.
Auch am Wochenende hat sich die Gewalteskalation in Nahost nicht verlangsamt: In mehreren palästinensischen Städten, darunter Hebron (Foto), lieferten sich Demonstranten Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften. Am Vortag hatte es auch erneut Tote bei Messerattentaten gegen jüdische Israelis gegeben. Vier palästinensische Angreifer waren erschos- sen worden. Einige israelische Städte erhoben vorübergehende Arbeitsverbote für Araber an sensiblen Orten wie etwa Schulen. Israels Premier Benjamin Netanjahu lehnte indes einen Vorschlag Frankreichs ab, das Plateau des Tempelbergs in Jerusalem unter internationale Aufsicht zu stellen. Kommende Woche sind neue Vermittlungsversuche geplant.
Wird es ein umfassender Aufstand – also die „Dritte Intifada“–, oder ist es doch nur eine vorübergehende Erhitzung? Täglich halten nun Israelis und Palästinenser, sowohl Politiker und Sicherheitsexperten als auch einfache Bürger, nach Anzeichen Ausschau, aus denen man die Richtung herauslesen könnte. Das Wochenende hat jedenfalls noch keine klare Antwort gegeben: Am Samstag hatten Palästinenser in Jerusalem, bei Ramallah und in Hebron gleich fünf separate Messerattacken auf jüdische Israelis verübt – dabei waren vier Angreifer erschossen worden. Sonntag war die Lage zunächst ruhig, am Abend gab es Verletzte bei einem Schussattentat an einem Busbahnhof in Beer-Schewa. Ein Angreifer wurde erschossen.
Weiterhin werfen junge Palästinenser im Westjordanland routinemäßig Steine auf israelische Soldaten; diese reagieren mit Tränengas, Gummigeschoßen und zuweilen scharfer Munition.
Zu einer gefährlichen Konfrontation kam es Sonntagfrüh, als rund 30 strengreligiöse Juden zum Josefsgrab in Nablus vordrangen – diese manchen Juden heilige Stätte war am Freitag durch Palästinenser in Brand gesetzt worden. Israelische Soldaten holten die Männer in Koordination mit der palästinensischen Polizei wieder heraus. Ohne Zweifel hat sich eine „Intifada-Stimmung“aufgebaut. Bei der israelischen Bevölkerung, auf die über ihre hektischen Medien ständig neue Terrormeldungen einprasseln, spürt man Anflüge von Panik. Die palästinensische Jugend wird besonders durch die sozialen Medien, in denen die zum Teil noch im Kindesalter stehenden Messerattentäter glorifiziert werden, aber etwa auch durch Zurufe der Hamas zum „Kampf“angestachelt. Die israelische Führung setzt immer robustere Maßnahmen ein, die den Terror stoppen sollen, aber auch den gegenteiligen Effekt haben könnten. Doch gerade in einer solchen Stimmung muss man Augenmaß bewahren. Die Zahl der an den Attacken und Zusammenstößen beteiligten Palästinenser ist jetzt viel geringer, als sie es bei den Aufständen 1987–1993 und 2000–2004 war. Die Intifadas waren von gut organisierten, trainierten Terrorzellen getragen worden, hinter denen die politische Führung stand. Die Messerattentate verbreiten jetzt zwar Schrecken, sind aber doch punktuell und amateurhaft.
Wie lange diese Gewaltphase auch dauern wird, sie wird die Situation nicht verbessern. Mahmud Abbas, der schon die zweite Intifada als Fehler bezeichnet hatte, will zwar auch jetzt offenbar keinen bewaffneten Aufstand, der Palästinenserpräsident kann es sich aber nicht leisten, den Messerterror zu verurteilen. Benjamin Netanjahu wiederum ruft Abbas auf, „sofort Verhandlungen ohne Vorbedingungen aufzunehmen“, doch niemand hört dem israelischen Premier zu. Die Palästinenser glauben nicht an den guten Willen der Israelis und versuchen, in internationalen Organisationen zumindest auf dem Papier einen eigenen Staat zu bekommen.
Neue Gesprächsdiplomatie
Vom letzten Versuch einer Verhandlungslösung hatte sich John Kerry im April 2014 verabschiedet. An die Initiative des US-Außenministers hatte ohnehin nur er selbst geglaubt. Jetzt schaltet sich Kerry wieder ein: Er will Donnerstag in Berlin mit Netanjahu reden und danach, wohl in Amman, mit Abbas. Die Erwartungen sind bescheiden, aber vielleicht könnten klärende Worte zum Besuch von Nichtmuslimen auf dem Tempelberg gesprochen werden. Obwohl die Israelis versichern, den Status quo nicht zu ändern, glauben die Palästinenser, Israel wolle Muslime zurückdrängen. Einen kolportierten französischen Vorschlag, auf dem Tempelberg internationale Beobachter zu postieren, wies Netanjahu zurück: „Die Gebetsordnung, die Besuchsrechte wurden in den letzten 15 Jahren nicht verändert – Israel ist nicht das Problem auf dem Tempelberg, Israel ist die Lösung.“