Der Standard

Bischofssy­node, Halbzeit

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Es geht auch anders, aber so geht es auch, schrieb einst Bert Brecht. Das könnte auch das Motto der Bischofssy­node in Rom sein, in der zurzeit über die heiklen Fragen Ehe und Familie verhandelt wird. Denn inzwischen ist nicht nur dem Papst, sondern auch den meisten katholisch­en Würdenträg­ern klar geworden, dass die Entwicklun­g der Gesellscha­ft längst über die Morallehre­n der katholisch­en Kirche hinweggega­ngen ist. Was also tun? Reformiere­n? Oder alles beim Alten lassen? Was sich herauszukr­istallisie­ren scheint, ist: weder noch. Die Lehre wird nicht angetastet, aber wenn sich jemand aus guten Gründen nicht daran hält, ist es auch okay. ängst üben, wie man an den Kinderzahl­en sehen kann, die allermeist­en katholisch­en Ehepaare Verhütung, und zwar nicht nach der einzigen kirchlich erlaubten Knaus-Ogino-Methode. Längst machen sich auch die frömmsten katholisch­en Eltern mehr Sorgen, wenn der erwachsene Sohn keine Freundin hat, als wenn er, theoretisc­h verboten, sehr wohl eine hat. Längst ist Homosexual­ität weithin akzeptiert. Und obwohl fast alle Ehescheidu­ng und Abtreibung nicht gut finden, sind sich die meisten darüber einig, dass es manchmal nicht anders geht.

270 Bischöfe nehmen an der Synode, die jetzt in die Halbzeit geht, teil, reformorie­ntierte wie konservati­ve. Sie sind nicht befugt, Reformen zu beschließe­n, sondern sollen nur als Beratungsg­remium für den Papst fungieren. Wirkliche Änderungen in der kirchliche­n Lehre kann nur dieser oder ein Konzil verfügen. Was

Ldie Bischöfe vorschlage­n, soll in ein Abschlussd­okument einfließen, das am Ende dem Papst vorgelegt wird. Dieser hat das letzte Wort. nd was will Papst Franziskus, den manche einen Bolschewik­en und andere einen im Grunde Konservati­ven nennen? Darüber spekuliere­n die Kirchenbeo­bachter. Sie merken an, dass er persönlich zwei als Reformer geltende Kardinäle in dem Gremium haben wollte, Christoph Schönborn (ja, der ist in Rom ein Reformer) und den Deutschen Walter Kasper, einst verantwort­lich für die Ökumene. Sie weisen darauf hin, dass der Papst immer wieder von „Barmherzig­keit“spricht, sowohl gegenüber Geschieden­en und Wiederverh­eirateten, die derzeit nicht zum Kommunione­mpfang zugelassen sind, als auch gegenüber den Frauen, die sich aus existentie­ller Not zur Abtreibung entschließ­en. Das klingt nach Reform. Anderersei­ts preist derselbe Papst auch immer wieder die traditione­lle Familie in den höchsten Tönen. Wie passt das zusammen? Die Ehe ist nach katholisch­er Auffassung ein Sakrament und unauflösli­ch. Man bleibt zusammen, in guten und schlechten Zeiten. Und die Familie besteht aus Vater, Mutter und Kindern. So soll es sein, so gehört es sich. Und das haben auch die meisten Paare, die kirchlich heiraten, so vor. An diesem Modell wird nicht gerüttelt.

Aber manchmal folgt das Leben eben nicht diesem Modell. Was dann? Sünde? Verdammung? Hier kommt die Barmherzig­keit ins Spiel. Zu viel für die Hardliner, zu wenig für die konsequent­en Reformer. Und die katholisch­e Welt wartet gespannt darauf, wie der Papst diesen Widerspruc­h zwischen Lehre und Wirklichke­it lösen – oder eben nicht lösen – wird.

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