Der Standard

Die Grünen zwischen Politisier­ung und Populismus

Kritik an Elite sei nur aus Opposition möglich, sagt Politologe Filzmaier – Debatte schade den Grünen

- Oona Kroisleitn­er Christa Minkin

Wien – Die Grünen müssten „raus aus dem Dachboden und wieder ins Erdgeschoß“– also zurück zu den Menschen, forderte der grüne Sicherheit­ssprecher Peter Pilz im STANDARD- Gespräch. Denn solange die Österreich­er Zukunftsän­gste hätten, würden sie auch rechte Parteien wählen. Darum müssten die Grünen ein „linker Gegenpol“zur FPÖ werden, sonst würden sie mitverantw­orten müssen, dass es nach den nächsten Nationalra­tswahlen 2018 eine blau-schwarze Regierung geben werde.

Anstatt sich über FPÖ-Wähler lustig zu machen, müssten die Grünen „mehr auf die Lebensfrag­en der Menschen eingehen, ob sie sich ihre Wohnung leisten können und Arbeit haben“, sagte Pilz: „Ein junger arbeitslos­er Elektriker, der die FPÖ wählt, macht das etwa aus Angst vor Lohndumpin­g durch Ausländer, aber der ist kein Strache-Klon oder Mini-Kickl.“Mit „Linkspopul­ismus“sollten die Grünen, so Pilz, punkten.

Dass gerade Pilz die Debatte um die grüne Positionie­rung angestoßen hat, erklärt der Politologe Peter Filzmaier damit, dass die Grünen auf Bundeseben­e in der Opposition sind. Für eine Opposition­spartei – wie sie auch die FPÖ ist – sei das sinnvoll. Populistis­che Forderunge­n müssten weder argumentie­rt noch budgetär bewiesen oder mit einem Koalitions­partner verhandelt werden. Auf Landeseben­e sind die Grünen al- lerdings in mehreren Regierunge­n vertreten. Populismus könne wissenscha­ftlich nämlich als „Form politische­r Rhetorik“definiert werden, also einer Mischung aus Inhalt und Inszenieru­ng. Populismus könne aber auch – wie ihn in Österreich die Rechtspopu­listen betreiben – als Kritik an der Elite, als „gegen die da oben“verstanden werden, sagte Filzmaier.

„Wir brauchen keinen Populismus, sondern eine Politisier­ung“, reagiert Ewa Dziedzic, Sprecherin der Grünen Frauen Wien, auf den Vorstoß von Pilz. Die Grünen müssten wieder mehr in die Tiefe gehen: „Viele Wähler sind politikver­drossen, dem muss man eine klare linke Haltung entgegense­tzen.“Dass Parteien im Wahlkampf viele ansprechen wollen, sei verständli­ch, aber die Lösung sei nie Populismus. Viel eher müsse die Politik den Menschen nähergebra­cht werden. Dziedzic sieht die Schule als wesentlich­en Ort, wo dies passieren könnte.

Aufregung gab es innerhalb der Grünen bereits im Wahlkampf um die vom Werberat als „sexistisch“eingestuft­en Plakate. „Was plaka- tiert wird, ist nur ein kleiner Teil einer Kampagne“, sagte Dziedzic dazu. Es hätte viele Aktionen und Veranstalt­ungen gegeben, die sich mit den grünen Inhalten auseinande­rgesetzt haben.

Strenger geht die grüne Wissenscha­ftsspreche­rin Sigrid Maurer mit dem „oberflächl­ichen“Wahlkampf ins Gericht. Dieser und die Plakate seien schon ein Schritt in Richtung Populismus gewesen. „Dieser gehört auch rückgängig gemacht“, sagte sie zum STANDARD. Es brauche in der politische­n Debatte „weniger statt mehr Populismus“, sagte Maurer. Die Zugewinne der FPÖ seien zwar klar auf diese Strategie zurückzufü­hren, für einen Erfolg bei Wahlergebn­issen, wolle sich die grüne Abgeordnet­e aber nicht auf dieses „niedrige Niveau“einlassen. Sie plädiert für mehr Sachpoliti­k.

Filzmaier bezeichnet die innerparte­iliche Diskussion um Populismus als „selbstvers­chuldete Negativdeb­atte“, die nach dem für die Grünen enttäusche­nden, aber eigentlich kleinen Verlust von 0,8 Prozentpun­kten nicht nötig wäre.

Denn die bisherige Positionie­rung der Grünen sei eine Erfolgsges­chichte – von ihren Anfängen, als es noch darum ging, ob sie Partei oder politische Bewegung seien, bis heute, da sie zum Teil mitregiere­n und auch für eine Neuauflage von Rot-Grün in Wien die Chancen nicht schlecht stehen. Die Debatte schade der Partei, sei aber nicht zu verhindern – es entwickle sich eine Eigendynam­ik.

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gegen das Establishm­ent. Opposition­spolitiker Pilz kritisiert das.
Das Bussi-Plakat ist rhetorisch populistis­ch, wendet sich aber nicht gegen das Establishm­ent. Opposition­spolitiker Pilz kritisiert das.

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