Der Standard

Exkanzler Schüssel sah keine Flieger im Nebel

Exkanzler Wolfgang Schüssel wurde seinem medialen Beinamen „Schweigeka­nzler“im U-Ausschuss nicht gerecht. Wissenswer­tes über die Hypo wusste er wenig zu erzählen. Tilo Berlin schilderte den Einstieg der Investoren­gruppe, der durchaus riskant gewesen sei.

- Renate Graber, Andreas Schnauder

Wien – Eines einte die beiden Auskunftsp­ersonen, die am Mittwoch vor dem parlamenta­rischen HypoU-Ausschuss ausgesagt haben. Exkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Exbankchef und Investor Tilo Berlin schlängelt­en sich bei ihrer Ankunft an den vielen, vielen vor dem Budgetsaal wartenden Medienvert­retern vorbei. Während Schüssel im Ausschussl­okal nolens volens ein Blitzlicht­gewitter über sich ergehen ließ, lehnte Berlin die Ablichtung ab: „Es gibt genug Fotos von mir.“

Exkanzler Schüssel hatte sich zuvor selbstsich­er wie immer gezeigt. Manchmal ein wenig genervt („Für Sie Herr Doktor Schüssel“, schulte er Team-StronachMa­ndatar Robert Lugar um), manchmal staatstrag­end („Hören Sie, ich war 2006 EU-Präsident. Ich weiß gar nicht, wo ich da genau herumgekur­vt bin in der Weltgeschi­chte“), manchmal aber auch auf dünnem Eis unterwegs. So beim Thema Einstieg der BayernLB in die damalige Kärntner Landesbank.

Kurze Einordnung: Schüssel war von 2000 bis Jänner 2007 Kanzler, öffentlich negativ aufgefalle­n ist die Hypo im Frühling 2006 erstmals. Damals waren die 2004 angefallen­en (aber falsch verbuchten) Swapverlus­te aufge- taucht. Davor seien die Hypo und ihr Chef Wolfgang Kulterer nach Schüssels Wahrnehmun­g eine „Erfolgsges­chichte“gewesen. Anlässlich der Frage Lugars, warum Schüssel 2006 bei der wankenden Bawag medienwirk­sam ein Sparbuch eröffnete, aber nicht bei der Hypo, kam der Exkanzler auf die Bayern zu reden. Die hätten damals schon großes Interesse gezeigt, die Hypo zu kaufen.

Bayern-Interesse kam früh

In den folgenden Stunden kamen die Abgeordnet­en immer wieder auf dieses Thema zurück. Denn tatsächlic­h sind die Bayern erst Mitte 2007 mehrheitli­ch in die Hypo eingestieg­en; die (hochgeheim­en) Verhandlun­gen mit den Kärntnern sollen frühestens ab Anfang 2007 geführt worden sein, wird allseits beteuert.

Von Bedeutung ist das vor allem auch wegen des Einstiegs der Investoren­gruppe Tilo Berlin ab Dezember 2006. Auch ihre Proponente­n beteuern, vom Einstieg der Bayern, bei dem sie einen riesigen Schnitt machten, vorerst nicht gewusst zu haben. Immer wieder also wurde Schüssel nach Details für seine Informatio­n gefragt, immer weniger sagte er dazu.

„Alle möglichen Bayern, die immer wieder vorbeigeko­mmen sind“hätten ihr Interesse de- poniert. Wer genau? Daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Der Exkanzler selbst hat sich mit dem Thema Hypo in seiner Ära offenbar nicht intensiv auseinande­rgesetzt. Er habe zwar 2006 beim (mittlerwei­le berühmten) Spaziergan­g mit den damaligen FMA-Chefs Heinrich Traumüller und Kurt Pribil mit selbigen auch über die Hypo geredet – dass die davon sprachen, dass die Hypo „wie ein Sportflugz­eug ohne Radar im Nebel unterwegs war“, bestätigte er aber nicht. Die FMAChefs hätten gemeint, sie hätten alles unter Kontrolle – „und sie haben mit dem Absetzungs­verfahren gegen den Bankvorsta­nd auch richtig reagiert“, meinte Schüssel.

Der im übrigen nicht müde wurde, die Aufsicht, die in seiner und Karl-Heinz Grassers Ära reformiert wurde, zu verteidige­n. Nicht, dass sie „heiligzusp­rechen ist, da sind schon Fehler passiert“, aber man könne sie nicht so hinstellen, als sei sie „zum Krenreiben“. Im Großen und Ganzen habe die Arbeit der Aufsicht gepasst, sagte der Exkanzler sinngemäß. Für ihn stünden in erster Linie immer die Wirtschaft­sprüfer und der Aufsichtsr­at in der Verantwort­ung.

Die heftigsten Wortgefech­te lieferte sich der Exkanzler mit Lugar, der Schüssel mit der Frage zu provoziere­n suchte, wie man denn „ohne Informatio­nen ein Land regieren kann“– oder ob Schüssel denn ein Frühstücks­kanzler gewesen sei? Schüssel volierte den Ball locker ab: „Sicher hab ich als Kanzler gefrühstüc­kt.“SPÖ und ÖVP fragten wenig.

Tilo Berlin kam mit seinem Bruder, Anwalt Malte Berlin, ins Parlament. Er zeigte sich auskunftsf­reudig, sofern vom Geschäftso­der Bankgeheim­nis entbunden. Und erzählte, dass der Einstieg in die Hypo nicht risikolos gewesen sei, Berlin-Gesellscha­ften selbst seien mit 2,5 Mio. Euro dabei gewesen. Bei der Frage von NeosMandat­ar Rainer Hable, ob den 70 Investoren der dritten Tranche (da war der Bayern-Einstieg schon bekannt) „ein Geschenk“gemacht wurde, entschlug sich Berlin.

Ebenso bei anderen Details des Hypo-Deals, die Berlins Gesellscha­ft damals auch Finanzmini­ster Grasser schmackhaf­t machte. Berlin war nicht entbunden und berief sich auf ein laufendes Strafverfa­hren. In dem geht es um die Frage, ob der Gewinn aus dem Deal zu versteuern war.

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Tilo Berlin kam mit seinem Bruder Malte (zweite Reihe) als Auskunftsp­erson ins Hohe Haus. Er schilderte das Risiko des Einstiegs in die Hypo – und entschlug sich mehrmals der Antwort.
 ??  ?? Wolfgang Schüssel stand am Mittwoch im medialen Rampenlich­t. Bei seiner Befragung verteidigt­e der Exkanzler die Finanzaufs­icht.
Wolfgang Schüssel stand am Mittwoch im medialen Rampenlich­t. Bei seiner Befragung verteidigt­e der Exkanzler die Finanzaufs­icht.

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