Die Trumpisierung der amerikanischen Politik
Gegen das Establishment: Der Vorwahlkampf wird – auf beiden Seiten – von extremen Positionen geprägt
The Donald“zielt sowohl auf den amerikanischen Patriotismus als auch auf die dunkle Seite des Landes ab. Sein Slogan „Make America Great Again“richtet sich an jene, die frustriert sind, dass die USA einer zunehmend verwirrenden Welt nicht länger ihren Willen aufzwingen können. Für sie, und für Trump, trägt Präsident Barack Obama die Schuld daran: Er habe gegenüber ausländischen Regierungschefs kein Stehvermögen (Benjamin Netanjahu könnte das anders sehen), habe die Truppen zu früh aus dem Irak abgezogen (obwohl der Zeitplan hierfür von seinem republikanischen Amtsvorgänger stammt) und „entschuldige“sich sogar für Amerika.
Trump füttert Amerikas beharrliche rassistische und nativistische Strömungen: Er verspricht, rund elf Millionen illegale Einwanderer irgendwie zu verhaften und abzuschieben und Amerikas Grenze zu Mexiko durch den Bau einer Mauer zu stärken – und Mexiko dafür bezahlen zu lassen. Sein eklatanter Narzissmus (alles, was er tut, ist „herausragend, großartig, fantastisch, optimal“) ist sowohl Markenzeichen wie Politik.
Etwa Mitte August, als Trumps Zustimmungsraten in den Meinungsumfragen trotz öffentlicher Äußerungen, die die Kandidatur eines Normalsterblichen sofort beendet hätten, weiter anstiegen, ging den Kommentatoren auf, dass Trump kein Sommerflirt war. Es zeichnete sich ab, dass er die erste Vorwahl in Iowa gewinnen könnte und dass er bei der zweiten in New Hampshire und auch in anderen US-Bundesstaaten vor- ne liegen könnte. Es war nicht länger lächerlich, Trump als möglichen offiziellen Kandidaten der Republikaner zu bezeichnen.
Doch ist die establishmentfeindliche Stimmung in diesem Wahlkampf nicht auf die Republikaner beschränkt. Der Sozialist Bernie Sanders und Trump befriedigen beide denselben Impuls. Sanders propagiert in deklaratorischen Sätzen die idealistische Vorstellung einer Regierungspolitik, die bei Mitgliedern des wachsenden linken Flügels der Demokratischen Partei gut ankommt.
Jeb Bush und die vermeintliche offizielle Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, stehen dagegen für eine traditionelle Politik. Beide wirken an Fokusgruppen orientiert, unecht und zögerlich, während Trump und Sanders von ihren Anhängern als Persönlichkeiten wahrgenommen werden, die „die Dinge beim Namen nennen“.
Sanders appelliert an die öffentliche Frustration über die von US-Präsidenten – darunter der Zentrist Bill Clinton – eingegangenen Kompromisse. Hillary Clinton, die versucht, die Kluft zwischen beiden Flügeln der Demokratischen Partei zu überbrücken, orientiert sich zunehmend nach links angesichts der Menschenmassen, die Sanders versammelt – etwas, das sie selbst noch nicht geschafft hat.
Trumps Appeal erreicht derweil alle Teile der Republikanischen Partei: Gemäßigte und Konservative, Universitätsabsolventen, Evangelikale, Männer und Frauen – und die weißen Rassisten: Im Juni erhielt Trump eine Wahlempfehlung des „Daily Stormer“, Amerikas größter „Nachrichtenwebsite“für Neonazis. Als Rechtsradikale in Boston einen obdachlosen Latino verprügelten und einer von ihnen erklärte, sie hätten dies in Trumps Namen getan, kommentierte der Kandidat dies mit den Worten, einige seiner Anhänger seien „leidenschaftlich“. Trumps bisher erfolgreichster republikanischer Widersacher – Ben Carson, ein Neurochirurg – ist ebenfalls politisch unerfahren und gibt haarsträubende Dinge von sich. Aber Carson sagt sie leise, was der Grund sein könnte, warum seine Beliebtheitswerte in Iowa höher sind als die seiner Mitbewer- ber (in einer Umfrage zieht er sogar mit Trump gleich). So hat Carson erklärt, dass Menschen als Heterosexuelle ins Gefängnis kämen und schwul wieder heraus, dass Amerika, was die Unterdrückung von Ideen und politischen Gegnern angehe, Nazideutschland ähnele und dass der Präsident nicht verpflichtet sei, die Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen umzusetzen.
Auf Trump, Carson sowie zwei andere Kandidaten, die sich als politische Außenseiter positioniert haben – den texanischen Senator Ted Cruz und Ex-HP-Chefin Carly Fiorina –, entfallen derzeit rund 60 Prozent der Unterstützung unter Republikanern in Iowa. Jeb Bush und der Rest des Feldes – darunter Rand Paul, Scott Walker und Marco Rubio – fallen immer weiter zurück. Um Boden gutzumachen, sind einige, insbesondere Walker, auf die Idee verfallen, Trump mit seinen eigenen Waffen schlagen zu wollen.
Doch es gibt nur einen Trump, und seine Kandidatur sorgt bei der republikanischen Führung für offene Panik, vor allem angesichts der deutlichen Feindseligkeit seines Wahlkampfes gegenüber den Latinos. Nach Obamas Wiederwahl 2012 gab die republikanische Führung eine Studie in Auftrag, die ergab, dass der Parteikandidat mehr Latino-Stimmen auf sich vereinen müsse als je zuvor, um ins Weiße Haus einzuziehen. Mit Trump als Bannerträger der Partei ist dies kaum zu erwarten. Aus dem Englischen: Jan Doolan Copyright: Project Syndicate
ELIZABETH DREW (Jahrgang 1935) ist Journalistin und Autorin.