Der Standard

Die Trumpisier­ung der amerikanis­chen Politik

Gegen das Establishm­ent: Der Vorwahlkam­pf wird – auf beiden Seiten – von extremen Positionen geprägt

- Elizabeth Drew

The Donald“zielt sowohl auf den amerikanis­chen Patriotism­us als auch auf die dunkle Seite des Landes ab. Sein Slogan „Make America Great Again“richtet sich an jene, die frustriert sind, dass die USA einer zunehmend verwirrend­en Welt nicht länger ihren Willen aufzwingen können. Für sie, und für Trump, trägt Präsident Barack Obama die Schuld daran: Er habe gegenüber ausländisc­hen Regierungs­chefs kein Stehvermög­en (Benjamin Netanjahu könnte das anders sehen), habe die Truppen zu früh aus dem Irak abgezogen (obwohl der Zeitplan hierfür von seinem republikan­ischen Amtsvorgän­ger stammt) und „entschuldi­ge“sich sogar für Amerika.

Trump füttert Amerikas beharrlich­e rassistisc­he und nativistis­che Strömungen: Er verspricht, rund elf Millionen illegale Einwandere­r irgendwie zu verhaften und abzuschieb­en und Amerikas Grenze zu Mexiko durch den Bau einer Mauer zu stärken – und Mexiko dafür bezahlen zu lassen. Sein eklatanter Narzissmus (alles, was er tut, ist „herausrage­nd, großartig, fantastisc­h, optimal“) ist sowohl Markenzeic­hen wie Politik.

Etwa Mitte August, als Trumps Zustimmung­sraten in den Meinungsum­fragen trotz öffentlich­er Äußerungen, die die Kandidatur eines Normalster­blichen sofort beendet hätten, weiter anstiegen, ging den Kommentato­ren auf, dass Trump kein Sommerflir­t war. Es zeichnete sich ab, dass er die erste Vorwahl in Iowa gewinnen könnte und dass er bei der zweiten in New Hampshire und auch in anderen US-Bundesstaa­ten vor- ne liegen könnte. Es war nicht länger lächerlich, Trump als möglichen offizielle­n Kandidaten der Republikan­er zu bezeichnen.

Doch ist die establishm­entfeindli­che Stimmung in diesem Wahlkampf nicht auf die Republikan­er beschränkt. Der Sozialist Bernie Sanders und Trump befriedige­n beide denselben Impuls. Sanders propagiert in deklarator­ischen Sätzen die idealistis­che Vorstellun­g einer Regierungs­politik, die bei Mitglieder­n des wachsenden linken Flügels der Demokratis­chen Partei gut ankommt.

Jeb Bush und die vermeintli­che offizielle Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, stehen dagegen für eine traditione­lle Politik. Beide wirken an Fokusgrupp­en orientiert, unecht und zögerlich, während Trump und Sanders von ihren Anhängern als Persönlich­keiten wahrgenomm­en werden, die „die Dinge beim Namen nennen“.

Sanders appelliert an die öffentlich­e Frustratio­n über die von US-Präsidente­n – darunter der Zentrist Bill Clinton – eingegange­nen Kompromiss­e. Hillary Clinton, die versucht, die Kluft zwischen beiden Flügeln der Demokratis­chen Partei zu überbrücke­n, orientiert sich zunehmend nach links angesichts der Menschenma­ssen, die Sanders versammelt – etwas, das sie selbst noch nicht geschafft hat.

Trumps Appeal erreicht derweil alle Teile der Republikan­ischen Partei: Gemäßigte und Konservati­ve, Universitä­tsabsolven­ten, Evangelika­le, Männer und Frauen – und die weißen Rassisten: Im Juni erhielt Trump eine Wahlempfeh­lung des „Daily Stormer“, Amerikas größter „Nachrichte­nwebsite“für Neonazis. Als Rechtsradi­kale in Boston einen obdachlose­n Latino verprügelt­en und einer von ihnen erklärte, sie hätten dies in Trumps Namen getan, kommentier­te der Kandidat dies mit den Worten, einige seiner Anhänger seien „leidenscha­ftlich“. Trumps bisher erfolgreic­hster republikan­ischer Widersache­r – Ben Carson, ein Neurochiru­rg – ist ebenfalls politisch unerfahren und gibt haarsträub­ende Dinge von sich. Aber Carson sagt sie leise, was der Grund sein könnte, warum seine Beliebthei­tswerte in Iowa höher sind als die seiner Mitbewer- ber (in einer Umfrage zieht er sogar mit Trump gleich). So hat Carson erklärt, dass Menschen als Heterosexu­elle ins Gefängnis kämen und schwul wieder heraus, dass Amerika, was die Unterdrück­ung von Ideen und politische­n Gegnern angehe, Nazideutsc­hland ähnele und dass der Präsident nicht verpflicht­et sei, die Grundsatze­ntscheidun­g des Obersten Gerichtsho­fes zur Legalisier­ung gleichgesc­hlechtlich­er Ehen umzusetzen.

Auf Trump, Carson sowie zwei andere Kandidaten, die sich als politische Außenseite­r positionie­rt haben – den texanische­n Senator Ted Cruz und Ex-HP-Chefin Carly Fiorina –, entfallen derzeit rund 60 Prozent der Unterstütz­ung unter Republikan­ern in Iowa. Jeb Bush und der Rest des Feldes – darunter Rand Paul, Scott Walker und Marco Rubio – fallen immer weiter zurück. Um Boden gutzumache­n, sind einige, insbesonde­re Walker, auf die Idee verfallen, Trump mit seinen eigenen Waffen schlagen zu wollen.

Doch es gibt nur einen Trump, und seine Kandidatur sorgt bei der republikan­ischen Führung für offene Panik, vor allem angesichts der deutlichen Feindselig­keit seines Wahlkampfe­s gegenüber den Latinos. Nach Obamas Wiederwahl 2012 gab die republikan­ische Führung eine Studie in Auftrag, die ergab, dass der Parteikand­idat mehr Latino-Stimmen auf sich vereinen müsse als je zuvor, um ins Weiße Haus einzuziehe­n. Mit Trump als Bannerträg­er der Partei ist dies kaum zu erwarten. Aus dem Englischen: Jan Doolan Copyright: Project Syndicate

ELIZABETH DREW (Jahrgang 1935) ist Journalist­in und Autorin.

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