Der Standard

Renzi zieht in die Entscheidu­ngsschlach­t

Italiens Verfassung­sreform in heißer Phase – Widerstand gegen Pläne für den Senat

- Dominik Straub aus Rom Il Fatto Quotidiano

Kernstück der italienisc­hen Verfassung­sreform, deren dritte Lesung am Donnerstag im Senat begann, ist der Senat selber: Die kleine Kammer soll von 315 auf 100 Mitglieder verkleiner­t und in eine Regionalka­mmer nach deutschem Vorbild verwandelt werden. Ziel ist die Überwindun­g des heutigen Systems mit zwei gleichbere­chtigten Parlaments­kammern. Die Regierung verspricht sich davon eine schnellere Gesetzgebu­ng und ein effiziente­res Regieren. Bisher haben sich Senat und Abgeordnet­enkammer oft blockiert – mit dem Resultat, dass selbst die Verabschie­dung dringender Gesetze Jahre dauern konnte.

Dass bei der Gesetzgebu­ng Handlungsb­edarf bestehe, wird im Grundsatz von niemandem bestritten. Vielen geht die Reform aber zu weit: In Kombinatio­n mit dem bereits beschlosse­nen neuen Wahlgesetz, das der stärksten Partei automatisc­h zu einer absoluten Mehrheit in der Abgeordnet­enkammer verhelfen wird, verleihe die Reform dem Regierungs­chef eine zu ausgeprägt­e Machtfülle. Diese könne vom Parlament nicht mehr ausbalanci­ert werden. Wie zu Mussolinis Zeiten werde Italien wieder „un uomo solo al comando“haben, also einen Alleinherr­scher, betonen die Kritiker.

Dennoch wirken die meisten Argumente vorgeschob­en: Die Hauptkriti­k entzündet sich keineswegs am Premier, sondern an der zweitrangi­gen Frage, wie die Senatoren gewählt werden sollen. Die Vorlage der Regierung sieht vor, dass die Mitglieder des Senats künftig von den Parlamente­n der Regionen bestimmt werden; die Reformgegn­er bestehen auf einer direkten Wahl durch die Bürger. Eine einleuchte­nde Begründung dafür sind sie bisher schuldig geblieben – und tun dennoch so, als hänge das Schicksal der Republik von dieser Frage ab.

Senator Roberto Calderoli von der Lega Nord hatte zum Wahlverfah­ren über eine halbe Million Abänderung­santräge präsentier­t. Er hat sie zwar inzwischen zu- rückgezoge­n, doch das Vorgehen ist entlarvend. Man will dem forschen Matteo Renzi eins auswischen – und das gilt auch für Renzis parteiinte­rne Gegner, von denen einige angekündig­t haben, gegen die Reform zu stimmen – selbst wenn dabei die eigene Regierung stürzen sollte. Rein rechnerisc­h ist das Szenario auch durchaus möglich.

20.000 Euro monatlich

Renzi lässt sich von den Drohungen und Obstruktio­nsversuche­n freilich nicht beeindruck­en – er ist überzeugt davon, die Entscheidu­ngsschlach­t zu gewinnen. Denn viele Reformgegn­er hätten bei Neuwahlen nur schlechte Chancen auf Wiederwahl. Die Zeitung hat es vorgerechn­et: Ein Senator verdient knapp 20.000 Euro monatlich.

Renzis Kalkül ist klar: Nicht wenige Senatoren werden es sich gut überlegen, ob sie freiwillig arbeitslos werden und auf eine solche Summe verzichten wollen.

Übersteht die Verfassung­sänderung die nun laufende dritte Lesung im Senat, muss im Jänner auch die Abgeordnet­enkammer zustimmen. Im Sommer 2016 will Renzi die Reform auch noch dem Volk zur Abstimmung unterbreit­en, denn „das Land wartet seit 70 Jahren auf diese Reform“, sagte der Regierungs­chef.

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für Premier Matteo Renzi.
Foto: EPA / Daniel Irungu Heikles Spiel mit den Mehrheiten für Premier Matteo Renzi.

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