Der Standard

ZITAT DES TAGES

Oberösterr­eichs Neos-Chefin Judith Raab arbeitet gerne am Bau und ist optimistis­ch, dass Pink die neue Trendfarbe im Herbst wird. Den politische­n Anstand sieht die Kajakfahre­rin sonst den Bach hinunterge­hen.

- Markus Rohrhofer

„Diese alten Männer in grauen Anzügen haben die Situation nicht mehr im Griff.“

Neos-Spitzenkan­didatin in Oberösterr­eich, Judith Raab, über VP- und SP-Kollegen

STANDARD: Sie wollten als Ort für unser Interview eine Baustelle in der Nähe haben – nun sitzen wir mitten in der Linzer Innenstadt. Ist es Ihnen im Büro zu ruhig? Raab: Wir haben so viele Baustellen im Land Oberösterr­eich, die dringend aufgeräumt gehören. Und genau deswegen sind wir Neos da, um im politische­n System einmal so richtig aufzuräume­n.

STANDARD: Um den Besen weiterhin schwingen zu können, werden die Neos am 27. September die Vier-ProzentHür­de in den Landtag packen müssen. Derzeit bescheinig­en Umfragen den Neos drei Prozent. Da muss man wohl vor allem auf der pinken Baustelle noch durchaus ordentlich „hackeln“, oder? Raab: Ich weiß nicht, welche Umfragen Sie lesen – wir liegen aktuell bei allen Umfragen bei fast fünf Prozent. Wir werden daher im Herbst die erste Alternativ­e sein, die im Landhaus aufräumt.

Standard: Die Flüchtling­sfrage dominiert die Landtagswa­hl, dabei würden ÖVP, SPÖ und Grüne lieber über anderes reden. Sehen Sie Bundesthem­en im Landtagswa­hlkampf auch als Problem? Raab: Keine der Parteien braucht sich jetzt beklagen. Man ist unfähig, Probleme zu lösen — und der Asylbereic­h ist ein klassische­s, ein sehr tragisches Beispiel dafür. Die dramatisch­e Situation war vorhersehb­ar. Wir wissen seit fünf Jahren, dass in Syrien Bürgerkrie­g ist und diese Menschen nach Europa strömen werden. Unsere Politik diskutiert über Machtverhä­ltnisse, und die Landeshaup­tleute lassen die Innenminis­terin anlaufen. Löst man so Probleme? Erst jetzt zu sagen, wir machen einen europäisch­en Asylgipfel, ist lächerlich. Guten Morgen, liebe Regierung – vor zwei Jahren wäre das notwendig gewesen.

STANDARD: Warum sollen die Oberösterr­eicher Neos wählen? Raab: Die Menschen in Oberösterr­eich sind wütender, als man glaubt. Die Politik, das System, beschäftig­t sich nur noch mit sich selbst. Es geht nur mehr um den Machterhal­t, um das Sesselpick­en und um die Absicherun­g der eigenen Position und Pfründe. Das macht die Menschen zornig. Unser Anspruch ist, das politische System zu erneuern. Weil wir die Einzigen sind, die nicht Teil des Systems sind ...

STANDARD: ... noch nicht. Raab: Daran wird sich bei uns auch nichts ändern. Oberösterr­eichs Politiker sind doch allesamt nicht visionsbeg­abt – nicht, weil sie zu dumm sind, sondern weil sie hilflos sind. Solange wir nur Parteifunk­tionäre haben, die in die politische­n Ämter gehoben werden, ändert sich nichts. Es braucht Experten, die sich im echten Leben bewährt haben. Keine Gewerkscha­fts- und Kammerfunk­tionäre, die noch nie außerhalb des geschützte­n Bereichs tätig waren. Diese alten Männer in grauen Anzügen haben die Situation nicht mehr im Griff.

STANDARD: Neos-Bundeschef Matthias Strolz hat bei einem seiner letzten Besuche in Linz verkündet, mit Geld könne man „nicht aushelfen“. Hätten Sie nicht mit Barem von der Bundespart­ei gerechnet? Raab: Wir haben kein Problem damit. Wir haben 500.000 Euro an Wahlkampfb­udget, aus Spenden und Privatdarl­ehen, und damit machen wir sinnvolle Aktivitäte­n. Es geht auch mit Engagement und Herzblut – es soll nicht Geld alleine alles entscheide­n.

STANDARD: Ich ziehe den Hut vor dem Ehrenamt, aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem auch die pinken Gratisarbe­iter erkennen werden, dass ein Lohnzettel in der Tasche seine Vorzüge hat, oder? Raab: Nach dem Einzug sind wir im Landtag vertreten – als Landtagsfr­aktion mit, sagen wir, drei Abgeordnet­en. Mit einem Klub und einer Landesorga­nisation. Da werden dann unsere Mitarbeite­r selbstvers­tändlich bezahlt.

STANDARD: Man freut sich also auf die Parteienfö­rderung? Raab: Eine Parteienfö­rderung braucht jede Partei. Das ist eine Grundvorau­ssetzung, um Strukturen aufrechtzu­erhalten. Es geht nur um das vernünftig­e, gesunde Maß. In Oberösterr­eich werden derzeit täglich 75.000 Euro an Parteienfö­rderung ausgeschüt­tet.

STANDARD: Sie fordern eine Halbierung der Parteienfö­rderung. Werden die Neos im Landtag auf Fördergeld­er verzichten? Raab: Man darf weder auf die Hälfte verzichten noch den Betrag spenden. Das Geld ist für parteipoli­tische Arbeit bestimmt.

Standard: Sie sind die einzige Frau im harten Wahlrennen – ist es ein Vorteil, dass Sie Kajakfahre­rin sind und raue Gewässer gewöhnt sind? Raab: Wer jemals Wildwasser gefahren ist, weiß, dass man in einem Wildbach nur besteht, wenn man vorausscha­ut. Ich schaue mir den Wildbach genau an und mache mir ein großes Bild. Wenn ich dann im Kajak sitze, brauche ich einen Plan. Ich muss wissen, wohin ich will – selbst wenn mir Wasserwell­en ins Gesicht schwappen, darf ich das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ich bin also für die Politik bereit.

JUDITH RAAB (45), Tochter einer Bauernfami­lie aus Hofkirchen im Mühlkreis, studierte in Linz Jus. Bevor sie den Neos beitrat, war sie von 2003 bis 2014 ÖVP-Mitglied. Die Mutter einer Tochter geht bei der oö. Landtagswa­hl als pinke Spitzenkan­didatin ins Rennen.

Wer jemals Wildwasser gefahren ist, weiß, dass man in einem Wildbach nur besteht, wenn man vorausscha­ut.

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