Beunruhigend: Parasiten und Trockenheit gefährden Frankreichs Lavendelernte
Die Lavendelernte in der Provence steht unter einem schlechten Stern: Die Heil- und Duftpflanze leidet unter Klimaerwärmung und EU-Bürokratie. In Österreich wächst eine kleine, aber robuste Konkurrenz für Frankreichs Bauern heran.
Paris/Wien – Wie jeden Sommer haben die violetten Lavendelfelder das so typische Bild der HochProvence geprägt. Jetzt sind die Sträucher geschnitten, ihr Duft würzt den Mistral-Wind nicht länger. Guillaume Liardet, ein junger Lavendelproduzent mit Strohhut, hat seine 42 Hektar in Sault eingebracht. Im Destillierofen werden die Blüten in Öl verwandelt. Die Hybridzüchtung Lavandin fließt in Seifen und Waschpulver, der eigentliche Lavendel in Aromastoffe, ätherische Öle und natürliche Heilmittel. Letztere wirken beruhigend und wundschließend.
Liardet schätzt, dass die gut tausend provenzalischen Lavendelzüchter heuer 50 Tonnen Lavendelextrakte erzeugen. Das klingt wenig; allerdings wird damit die ganze Welt versorgt, auch wenn die Billigkonkurrenz in Bulgarien, Spanien und China wächst. „50 Tonnen sind mehr als in den letzten Jahren, als die Trockenheit die Sträucher hart traf. Zu Beginn dieses Sommers befürchteten wir das Schlimmste, als kein Tropfen fiel. Dann aber setzte der Regen ein.“
Glücklich ist Liardet mitnichten. „Lavendel ist anpassungsfähig. Er wurde schon von den alten Römern angebaut und hat viele natürliche Krisen überlebt. Doch gegen die starken Temperaturausschläge kommt er kaum an.“Seit Jahren breitet sich auch ein Parasit namens Cicadelle aus: Zwei Millimeter lang, verstopft er Stängel, was die Pflanze abtötet. Sein Aufkommen wird auf die Klimaerwärmung zurückgeführt. „Die Zunahme von Hitze- und Trockenperioden schwächt die Pflanze und begünstigt die Ausbreitung der Cicadelle“, meint Eric Chaisse vom Versuchslabor für Aromapflanzen in Manosque. Der Forscher sucht natürliche Gegenmittel. Denn Antibiotika sind verboten, und Insektizide schaden den Bienen.
Sorgen bereitet der Branche ein weiterer Schädling – eine EU-Verordnung namens Reach. Sie sieht vor, dass chemische Substanzen wie Linalool auf Etiketten von Agrarprodukten genannt sein müssen. Linalool existiert in seiner natürlichen Form auch im Lavendel.
„Das würde bedeuten, dass wir auf Duftölen und Heilmitteln auf eine mögliche Giftgefährdung verweisen und dies durch einen kleinen Totenkopf angeben müssten“, ereifert sich Alain Aubanel von der Französischen Union der Aroma- und Medizinalpflanzen-Hersteller. „Wenn das nicht absurd ist. Ausgerechnet Lavendel würde mit synthetischen Stoffen in einen Topf geworfen. Das würde nur der chemischen Industrie helfen.“
Sein Verband hat eine Petition lanciert, um zu erreichen, dass Lavendel von der Liste der Chemie gestrichen wird. Nahe Sault haben Bauern Schilder angebracht: „Lavendel in Gefahr“, ist da zu lesen.
Theresia Heigl gerät dank reiner Ab-Hof-Vermarktung nicht in die Gefilde der chemischen Industrie. Probleme mit Parasiten hat sie keine. Diese seien auch eine Folge der Industrialisierung, vermutet sie – und von dieser sei der Lavendelanbau hierzulande weit entfernt.
Heigl zählt zu den wenigen Österreichern, die das herb duftende Kraut im größeren Stil, wenn auch überwiegend in Handarbei, kultivieren. Auf zwei Hektar, verteilt über mehrere Felder, wächst es in Kitzeck im steirischen Weinland auf ihrem Biohof Wunsum, um zu Seife, Tee, Marmelade, Likör und Essig verarbeitet zu werden. Heigl erinnert an die „Lavendelweiber“, die den Lavendel im 19. Jahrhundert rund um Wien anbauten. Sie selbst habe es gereizt, eine Region, die nur vom Wein lebe, um etwas Komplementäres zu bereichern.
Seit acht Jahren fußt ihr kleiner Betrieb nun schon auf Lavendel. Auf Chemie wird verzichtet. Heiße Sommer kommen ihm entgegen, der lehmartige Boden machte ihn zum robusten Tiefwurzler.