Der Standard

Habitat Autobahn: Wenn der Postfuchs plötzlich auszieht

Die Ars Electronic­a rückt die ferne Zukunft unserer Städte in den Fokus. Schon in naher Zukunft wird man sich in Linz entscheide­n müssen, was mit dem ehemaligen Postvertei­lzentrum passieren soll. Eine stadtplane­rische Herausford­erung.

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Linz – Für das Festival Ars Electronic­a wurde dieses Jahr ein Schauplatz gefunden, der zum Festivalth­ema besser wohl kaum passen könnte: die Post City, das ehemalige Post- und Paketverte­ilzentrum direkt beim Linzer Hauptbahnh­of. 80.000 Quadratmet­er Nutzfläche, 4000 Meter Paketverte­ilanlage, Paketspeic­her für 10.000 Pakete, eine Batterie von zwölf Meter hohen Wendelruts­chen und eine rund 240 Meter lange Gleishalle.

Man fährt nicht mehr Bahn

Als die Post am 27. Juni 1994 ihr neues Verteilzen­trum nahe dem Linzer Hauptbahnh­of eröffnete, war es damals die modernste Postdrehsc­heibe Europas. 120 Millionen Euro wurden in den Bau samt Hightech-Einrichtun­g gesteckt. Etwa 100.000 bis 120.000 Pakete wurden täglich mit der Bahn und dem Lkw angeliefer­t und in der Anlage verarbeite­t. Insgesamt arbeiteten pro Tag etwa 1000 Menschen im Schichtbet­rieb in der Anlage.

Ob sich die Investitio­n in Gelb je gerechnet hat, bleibt fraglich. Denn bereits 2014 beschloss die Post den Stillstand der Logistikdr­ehscheibe im Herzen der Landeshaup­tstadt und errichtete in Allhaming unmittelba­r neben der Westautoba­hn um rund 50 Millionen Euro ein neues Verteilzen­trum. Wichtigste­s Argument war damals für die Post die Verkehrsan­bindung. Der Postfuchs fährt eben heute nicht mehr Zug, sondern setzt auf das Auto.

Und dafür liege das etwa acht Hektar große Grundstück an der Westautoba­hn ideal, sagt die Post. Die An- und Ablieferun­g von zigtausend­en Postliefer­ungen könne mit Lastwagen möglichst einfach und reibungslo­s vonstatten­gehen. Und genau hier hakte es beim Standort in der Linzer Innenstadt. Vor allem in Spitzenzei­ten wie Weihnachte­n stießen die technische­n Kapazitäte­n der Linzer Anlage an ihre Grenzen.

Für die Stadtplane­r und -entwickler ist der temporäre Einzug des Zukunftsfe­stivals in das Postgebäud­e eine durchaus willkommen­e Verschnauf­pause. Denn seitdem das letzte Paket verschickt wurde, brütet man vonseiten der Post und der Stadt Linz über einem möglichen Nachnutzun­gskonzept. Tausende freie Quadratmet­er in zentraler Lage klingen, angesichts des dichtverba­uten Innenstadt­raumes, auf den ersten Blick verlockend. Und doch gilt der Freiraum als durchaus schwer vermittelb­ar: Das Areal liegt bei der Westbahntr­asse und in unmittelba­rer Nähe des künftigen Westring-Kreuzungsb­ereiches an der Waldeggstr­aße. Die enorme Schadstoff­belastung macht einen Wohnbau de facto unmöglich.

Stadion-Neubau

Durchaus ungewöhnli­che Nachnutzun­gspläne wurden in jüngster Vergangenh­eit relativ rasch wieder verworfen. 2008 brachte der damalige LASK-Präsident Peter-Michael Reichel das Areal für einen Stadion-Neubau ins Spiel. Rund 70 Millionen Euro hätten die Projektent­wickler gerne in den grünen Rasen im Herzen von Linz investiert. Vorbild war das Stadion in Basel, das ebenso direkt an einer Bahnlinie liegt. Bedenken gab es aber vor allem von städtische­r Seite hinsichtli­ch des drohenden Autoverkeh­rs.

Nach der roten Karte für das runde Leder hat die Post nun die Immobilien­entwickler-Firma Redserve mit einer Machbarkei­tsstudie beauftragt.

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