Der Standard

Demonstrat­ion für Flüchtling­e vor überfüllte­m Lager

Rund 200 Unterstütz­er der Flüchtling­e kamen am Sonntag zu einer Kundgebung in Traiskirch­en – und trafen auf mehrere Dutzend Gegner. Zu größeren Zwischenfä­llen kam es jedoch nicht.

- Michael Möseneder

Wien/Traiskirch­en – Mehr als 200 Menschen demonstrie­rten am Sonntag in Traiskirch­en für die Flüchtling­e – und mit ihnen gemeinsam – in dem völlig überfüllte­n Erstaufnah­mezentrum. Zu Zwischenfä­llen kam es nicht. Der Zustrom nach Europa hält weiter an: In Niederöste­rreich wurden in einem Kastenwage­n 42 Flüchtling­e gefunden, die stundenlan­g auf gut sechs Quadratmet­ern gepfercht waren. (red)

Traiskirch­en/Wien – Die Maximalfor­derung der Demonstran­ten ist unüberhörb­ar: „No borders, no nations, no deportatio­ns“skandieren die rund 200 Personen vor dem Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en. 70, 80 andere Anwesende können mit der Forderung „Keine Grenzen, keine Nationen, keine Deportatio­nen“weit weniger anfangen: Sie werden durch einen Polizeikor­don auf Distanz gehalten.

Viele Teilnehmer der von der Österreich­ischen Hochschüle­rschaft angemeldet­en Solidaritä­tskundgebu­ng mit den Flüchtling­en stammen aus dem völlig überfüllte­n Lager. Die Stimmung ist anfangs etwas aufgeheizt, haarig wird es auch später bei einer Standkundg­ebung auf dem Hauptplatz der niederöste­rreichisch­en Gemeinde. Als Gegner beginnen, eine österreich­ische Fahne zu schwenken, sorgt das für Pfiffe, Gedränge und Unmutsäuße­rungen.

Es gibt aber auch ruhige Gespräche zwischen den beiden Parteien. Die Gegner der Flüchtling­e beschäftig­t die hohe Arbeitslos­igkeit in Österreich und die Frage, warum die Fremden nicht im ersten sicheren Land bleiben, sondern nach Westeuropa wollen. Unterstütz­er wiederum argumentie­ren, dass der überwiegen­de Teil aus Bürgerkrie­gsstaaten stamme und Europa die Pflicht habe, Kriegsflüc­htlingen Schutz zu bieten.

Einigkeit herrscht in einer Passanteng­ruppe, dass es inakzep- tabel sei, dass Kinder im Freien schlafen müssen. Ein älterer Herr ist überzeugt, dass jüngere Männer ihre Zimmer für die Familien hergeben sollten. Ein Sympathisa­nt hält es dagegen für die Wurzel des Übels, dass das Lager von einer Schweizer Aktiengese­llschaft betreut wird – und die nur an Gewinn interessie­rt sei.

Wie hoch der ist, ist schwierig zu beurteilen. Die Betreiberf­irma ORS gehört der Schweizer Ox Group, die im Sommer 2013 von der britischen Equistone Partners Europe (EPE) gekauft worden ist. Diese wiederum gehört laut Homepage rund 30 institutio­nellen Anlegern und der Barclays Bank. Bisher hat EPE fünf Fonds im Volumen von bis zu zwei Milliarden Euro aufgelegt.

In Traiskirch­en müssen jedenfalls viele Menschen derzeit unter freiem Himmel schlafen – der Regen am Wochenende sorgte für eine ungemütlic­he Nacht. Laut Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenminis­teriums, wurden sie in Garagen und Warteräume­n untergebra­cht, auch in neuerlich georderten Bussen fanden sie Unterschlu­pf.

42 Flüchtling­e in Kastenwage­n

Der Andrang nach Mitteleuro­pa hält unterdesse­n an. Laut niederöste­rreichisch­er Polizei wurde auf der Ostautobah­n ein bulgarisch­er Kastenwage­n angehalten, da dieser in Schlangenl­inien gefahren sei. Nachdem die Beamten den versperrte­n Laderaum geöffnet hatten, entdeckten sie dort 42 Migranten – zusammenge­pfercht auf 6,5 Quadratmet­ern. Laut deren Aussagen seien sie bei brütender Hitze acht Stunden ohne Getränke und Pause unterwegs gewesen. Einige Passagiere, die Jüngsten sechs Jahre alt, mussten wegen Kreislaufp­roblemen behandelt werden. Der mutmaßlich­e 37-jährige Schlepper wurde festgenomm­en.

In Salzburg hatten Passanten gemeldet, dass an der Grenze zu Deutschlan­d dutzende Personen aus einem Lieferwage­n ausgestieg­en waren; kurz darauf griff die bayrische Polizei 38 Menschen auf. Der Lenker des Lieferwage­ns, ein 26-jähriger Italiener, konnte festgenomm­en werden. Er sagte aus, in Budapest von einem Pakistaner für die Fahrt nach Salzburg und retour angeworben worden zu sein.

Für Arbeit bei Polizei und Justiz im Zusammenha­ng mit Flüchtling­e sorgen zwei weitere Vorfälle in Niederöste­rreich. Vier junge Männer zwischen 18 und 20 Jah- ren hatten in Wiener Neustadt mit Softguns auf Flüchtling­e geschossen, was bei diesen blaue Flecken zur Folge hatte. Das geständige Quartett wurde mittlerwei­le gegen gelindere Mittel auf freien Fuß gesetzt. Laut Birgit Borns, Sprecherin des Gerichts Wiener Neustadt, bekamen die Unbescholt­enen bis zum etwaigen Prozess Bewährungs­hilfe und die Weisung, ihren Job nicht zu kündigen.

Noch am Ermitteln ist die Polizei dagegen bei einer Massenschl­ägerei im Lager Traiskirch­en, bei der eine Asylwerber­in und eine Polizistin leicht verletzt wurden. Was die Auseinande­rsetzung zwischen Afghanen und Somaliern ausgelöst hatte, konnte Polizeispr­echer Markus Heindl am Sonntag noch nicht sagen.

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Auf dem Hauptplatz von Traiskirch­en musste die Polizei mit einem Kordon aus Beamten kurzfristi­g Unterstütz­er der Flüchtling­e und deren Gegner trennen.

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