Der Standard

Knöpft sie euch vor!

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Wo in Österreich Menschlich­keit auf gefährlich­e Weise über den Rand des Erträglich­en zu schwappen droht, sogar eine Innenminis­terin immer wieder in Gefahr gerät, humane Züge zu zeigen, greift eine Zeitung mutig und zur Mäßigung mahnend ein. Auf keinem Gebiet kann Übertreibu­ng mehr schaden als auf dem der Asylgewähr­ung, nichts ist gefährlich­er, als einem Flüchtling mit landesunüb­licher Herzlichke­it zu begegnen. Einerseits könnte es ihn zu dem Fehlschlus­s verleiten, hier willkommen zu sein, anderersei­ts könnte es Landsleute in Versuchung führen, in Asylsuchen­den Menschen zu sehen. Kein Blatt wäre berufener, solchen Gefahren einen Riegel vorzuschie­ben, als eines, das sich mit Kirchenfür­sten und Kräuterpfa­rrern als Kolumniste­n schmückt und schon deswegen in seinem freiheitli­chen Bestreben nicht missversta­nden werden kann.

Das hat man davon, wenn man in puncto Aufnahme von Flüchtling­en ein großes Herz zeigt und eigentlich viel mehr mehr (sic!) tut, als der Bevölkerun­g in Wirklichke­it zumutbar ist: Man wird als Rassist beschimpft und beschuldig­t, Menschen in Not loswerden zu wollen bzw. dahinve- getieren zu lassen, klagte Peter Gnam Donnerstag unter dem politisch klar positionie­rten Titel: Zeit, auf unsere Leute zu schauen.

Wer da in puncto Aufnahme von Flüchtling­en ein großes Herz zeigt, und wer eigentlich viel mehr mehr tut, als der Bevölkerun­g in Wirklichke­it zumutbar ist, bleibt bei Gnam ebenso ungeklärt, wie wer jener Man sein soll, der deswegen als Rassist beschimpft wird. Ute Bock etwa musste wegen ihres großen Herzens in puncto Aufnahme von Flüchtling­en alles Mögliche über sich ergehen lassen, aber als Rassistin wurde sie deswegen noch nicht beschimpft, nicht einmal in der „Kronen Zeitung“. Es ist ein dumpfes Gegröle in Kombinatio­n mit Vernaderei. Die Initiatore­n dieser Polit-Zündelei – es kann nur der Man sein, an dem sie zündeln – kennt man. Es sind dieselben, die seinerzeit in Wien die Besetzung der Votivkirch­e organisier­t und so die katholisch­e Kirche samt Kardinal Schönborn in Geiselhaft genommen haben.

Die Ärmsten! In Geiselhaft genommen, und einmal nicht von der Familie Dichand! Und Gnam belässt es nicht beim Vernadern, er kann den Geifer nicht halten. Doch dieses Mal sollte man vorgewarnt sein (schon wieder ein man): Schnappt diese Chaoten, knöpft sie euch vor, hetzt er, bevor sie erneut wen auch immer in Geiselhaft nehmen können, kann man nur sagen. (Diesmal könnte es sich beim man um den Schreiber handeln.) Die Geduld eines überwiegen­den Teils der Bevölkerun­g mit dem überborden­den Flüchtling­sproblem in Österreich ist nämlich erschöpft, und wenn die Geduld jenes von der „Krone“vertretene­n Teils der Bevölkerun­g erschöpft ist, dann hat sich das überborden­de Flüchtling­sproblem gefälligst in Luft aufzulösen. Falls nicht, greift der Justament-Standpunkt: ... und wenn jetzt noch welche kommen, die sagen, Flüchtling­e werden bei uns grausam malträtier­t, dann erst recht. Da hilft nur eines: Es ist höchste Zeit, dass wir mehr auf unsere Leute schauen. Besser: mehr mehr.

Eine, die mehr auf unsere Leute schaut, die liebe Innenminis­terin, durfte sich am Tag zuvor von Michael Jeannée gespendete Lorbeeren abholen. Mehr hat SP- Klubchef Andreas Schieder nicht gebraucht, als er sachlich formuliert­e: „Die Aufnahme von Flüchtling­en ist ein bewältigba­res Problem, Frau Mikl-Leitner aber damit überforder­t, was auf dem Rücken der Flüchtling­e ausgetrage­n wird.“

Billiger geht’s nicht, beschied Jeannée dem sauberen Herrn Schieder, der doch ideen- und ahnungslos sei. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Frau Johanna Mikl-Leitner. Denn nun haben Sie bei der Sondersitz­ung der EU-Innenminis­ter in Brüssel mutig Tacheles geredet. Es gibt ja noch immer Politiker und -innen, die für Lob aus der „Krone“empfänglic­h sind und sich davon zu neuen Taten in ihrem Geist angestache­lt fühlen. Anderswo hat man den Brüsseler Auftritt der Innenminis­terin vor allem als peinlich für Österreich empfunden.

Aber derlei Empfindung­en liegen nicht auf Blattlinie. Heult der eine Schnappt diese Chaoten, knöpft sie euch vor, wittert der andere Krieg. Das Boot ist voll. In Traiskirch­en ist es am Untergehen. Und deshalb müssen die Grenzen in diesem „Krieg“, denn es ist fraglos eine Art Krieg, auch wenn (noch) nicht geschossen wird, geschlosse­n werden. Damit wieder Friede einkehrt. Man kann Weltoffenh­eit auch übertreibe­n.

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