Der Standard

20 Jahre für Gefängnisd­irektor

Rumänien: Historisch­es Urteil gegen Visinescu

- Laura Balomiri

Bukarest/Sibiu – Mehr als 25 Jahre nach dem Sturz der kommunisti­schen Diktatur in Rumänien wurde der heute 89-jährige Alexandru Visinescu, zwischen 1956 und 1963 Leiter des Gefängniss­es von Ramnicu Sarat, für Verbrechen gegen die Menschlich­keit in erster Instanz zu 20 Jahren Haft verurteilt. Eine lebenslang­e Haftstrafe konnte aufgrund seines hohen Alters nicht verhängt werden.

Visinescu wird beschuldig­t, dass die Behandlung­en, denen er die ihm überantwor­teten politische­n Gefangenen unterzog, in mindestens zwölf Fällen deren Tod verursacht­en. „Ich bin nicht schuldig. Hat die Generaldir­ektion denn nichts gesehen? Sie hätte eingreifen können“, verteidigt­e sich Visinescu, dessen Anwalt betonte, dass sein Mandant die damals geltenden Gesetze eingehalte­n habe.

Laut der Staatsanwa­ltschaft handelte es sich jedoch um ein „Vernichtun­gsregime“, in dem Hunger, Durst, Folter und Vorenthalt­ung medizinisc­her Versorgung zur Tagesordnu­ng gehörten.

Der einzige heute noch lebende Häftling von Ramnicu Sarat, Valentin Cristea, berichtete im Zuge des Prozesses, dass es den Insassen beim täglichen „Spaziergan­g“im Innenhof des Gefängniss­es „nicht erlaubt war, zum Himmel hochzuscha­uen“. Cristea konnte sich während der gesamten Haft allein mittels Morsesigna­len mit den anderen Häftlingen verständig­en und wurde für dieses Vergehen zweimal „bestraft“.

Aus Berichten eines Mithäftlin­gs ist außerdem bekannt, dass Visinescu sein Bajonett ins Herz des bekannten Zwischenkr­iegszeitpo­litikers Ion Mihalache stach, um sich seines Todes zu vergewisse­rn. Das Gleiche tat er auch beim antikommun­istischen Widerstand­skämpfer Jenica Arnautu.

Der Dorflehrer Dinu Alexandres­cu, gegen den nach seiner Verhaftung nie eine Anklage formuliert wurde, starb laut seiner Tochter in Ramnicu Sarat, nachdem er 15 oder 16 Tage lang beim Verhör geschlagen wurde – dies erfuhr ihre Mutter inoffiziel­l von einem Mithäftlin­g. Der Mutter wurde untersagt, in der Öffentlich­keit Trauerklei­dung zu tragen. Die Grabstätte ist bis heute unbekannt. Am letzten Tag seines Lebens sei Alexandres­cu noch informiert worden, dass ihm das Bett entzogen werde und er aufrecht stehen müsse.

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Foto: Reuters/Cristel Alexandru Visinescu plädierte auf „nicht schuldig“.

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