Wenn Kirchen zu Moscheen werden
Können oder sollen verlassene Kirchen in Gebetsräume für Muslime umfunktioniert werden? Dieser Vorschlag sorgt in Frankreich zum wiederholten Mal für eine überhitzte Debatte.
„Pourquoi pas?“Mit einer hingeworfenen Bemerkung hat sich der Rektor der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, in die Nesseln gesetzt. Der gemäßigte Vorsteher der wichtigsten muslimischen Kultusstätte Frankreichs gab die „Warum nicht“-Antwort in einer Radiosendung auf eine Journalistenfrage, ob er sich vorstellen könnte, verlassene oder leerstehende Kirchen in islamische Gebetsräume zu verwandeln. Die Frage erklärte sich aus dem Verlauf der Diskussion: Dabei war die Rede vom akuten Mangel an Moscheen für die schätzungsweise sechs Millionen Muslime – und andererseits vom abnehmenden Andrang zur Sonntagsmesse in dem traditionell katholischen Land.
Boubakeur und der Radiojournalist verfolgten die Umweihungsidee nicht weiter. Andernorts war hingegen der Teufel los. „Boubakeur will Kirchen in Moscheen umwandeln“, schallte es tausendfach über Twitter und Facebook. Konservative Kreise riefen zum Glockenläuten und zum Widerstand auf. Mit dem Wort „Résistance“begann auch ein Appell von Denis Tillinac im Rechts-außenMagazin Valeurs actuelles: „Die Kirchen, Kathedralen, Leidenswege und andere Wallfahrtsorte sind in unserer innerer Landschaft eingetragen und stiften Sinn und Form für unseren Patriotismus. Verlangen wir von unseren Behörden, dass er respektiert wird.“
Den dramatischen Aufruf gegen jegliche Umwandlung unterzeich- neten zahlreiche Intellektuelle wie Alain Finkielkraut, Pascal Bruckner oder Eric Zemmour. Vor allem aber schloss sich ihm auch Ex-Präsident Nicolas Sarkozy an. Damit war Boubakeurs „Pourquoi pas?“zur Staatsaffäre geworden.
Angesichts der aufwallenden Emotionen legte Boubakeur rasch den Rückwärtsgang ein. Es gebe „eine Menge von Gründen“, die gegen die Verwandlung von Kirchen in Moscheen sprächen, meinte er. Zeigt sich aber selber erstaunt über „das Ausmaß an Sensibilität und Nervosität“seit den jüngsten „Ereignissen“– gemeint sind die islamistischen Terroranschläge der letzten Monate. „Es herrschen Fantasievorstellungen und Intoleranz.“
Und offenbar beträchtliche Ängste vor dem Verlust nationaler Symbole. Auch wenn sich die französischen Kirchen immer mehr leeren, bleiben ihr Turm und ihr Glockengeläut ein Ausdruck für die „France profonde“(tiefes Frankreich) – ein Begriff mit einer sowohl realen wie übertragenen Bedeutung: Sogar der Sozialist François Mitterrand hatte in seinem legendären Wahlplakat von 1981 eine Dorfkirche platziert.
Sarkozy in der Kritik
Der Chefredakteur der Zeitung Libération, Laurent Joffrin, wirft den Unterzeichnern des Appells vor, sie argumentierten nicht religiös, sondern identitär: Für sie seien die Kirchen Ausdruck einer vergangenen heilen Welt, in der die Migranten und Muslime ewig Fremdkörper blieben. Mittlerweile steht nicht mehr Boubakeur in der Kritik, sondern Sarkozy, der den Appell als einer von wenigen Vertretern der konservativen Republikaner signiert hatte.
Michel Dubost, Bischof der liberalen Diözese Evry südlich von Pa- ris, zeigte sogar mehr Verständnis für Boubakeurs Aussagen als für den Tillinac-Appell. „Die Muslime haben das Recht, Kulturorte zu haben, und wir haben die Pflicht, ihnen zu helfen.“
Vor der Debatte gab es in mehreren Städten wie Vierzon schon mehrere Versuche, Kirchen in Moscheen zu verwandeln. Die meisten scheiterten an politischen Widerständen. Vier Fälle waren aber erfolgreich. In der Auvergne-Stadt ClermontFerrand wurde aus der Kapelle die Moschee Attawhid. In Graulhet heißt die Kirche SaintJean de la Rive heute Ennour al-Mohammadi. Und in einem Immigrantenviertel von Nantes hat die Moschee al-Forqane die von Portugiesen erbaute Chris tophorus-Kapelle ersetzt. Ohne dass es dabei zum lokalen Clash der Zivilisationen gekommen wäre.