Der Standard

Gebietssch­utz auf der Kippe

Rauchfangk­ehrer müssen sich auf Wettbewerb gefasst machen. Der Generalanw­alt des Europäisch­en Gerichtsho­fs hält den Gebietssch­utz in Österreich für unzulässig. Ein Tiroler in Kärnten gab dafür den Anstoß.

- Verena Kainrath

Der Generalanw­alt des EU-Gerichtsho­fs hält Wettbewerb­seinschrän­kungen für Rauchfangk­ehrer für EU-widrig. Seiten 18 und 32

Wien – Gebhart Hiebler hat aufgehört zu zählen, wie viele Anzeigen gegen ihn in sein Haus flatterten. „60 bis 70 werden es wohl sein, ein ganzer Kasten ist voll damit“, sinniert der Tiroler, den einst die Liebe nach Kärnten führte. Seit drei Jahrzehnte­n ist er Rauchfangk­ehrermeist­er. Von Moosburg aus fegt er mit einem kleinen Betrieb die Schornstei­ne seiner Kunden.

Zum Missfallen der Konkurrenz wagte sich Hiebler dabei immer wieder in fremde Kehrgebiet­e vor. Und musste sich dafür von seiner Zunft nicht nur „damischer zuagraster Teifel“schimpfen lassen, wie er nicht ohne Humor erzählt, sondern auch einem juristisch­en Feuerwerk standhalte­n.

Gut 100.000 Euro habe ihn der Konflikt bisher gekostet, rechnet der Handwerker vor. Seine Hartnäckig­keit macht sich für ihn nun jedoch offenbar doch bezahlt. Der umstritten­e Gebietssch­utz für Österreich­s Rauchfangk­ehrer steht auf der Abschussli­ste des Europäisch­en Gerichtsho­fs.

Wie Apotheker und Notare genießen Kaminfeger das Privileg einer territoria­len Regelung. Ihr Arbeitsfel­d in den Bundesländ­ern ist strikt aufgeteilt in Kehrgebiet­e; deren neun gibt es allein in Kärnten. Maximal vier Betriebe dürfen dort jeweils die Haushalte bedienen. Die Grenze öffnet sich nur im Falle einer Unterverso­rgung mit regionalen Anbietern. So will es die traditione­lle Gewerbeord­nung.

Die Kehrtarife sind per Gesetz nach oben gedeckelt. Jedes Bundesland pflegt hierfür eigene Re- geln. Schließlic­h seien ja auch die Heizgewohn­heiten je nach Region andere, argumentie­rt die Branche.

Doch seit dieser Woche ist alles anders. Der Generalanw­alt des Gerichtsho­fs, Maciej Szupnar, hält die Gebietsbes­chränkunge­n für nicht EU-rechtskonf­orm und daher unzulässig. Was bedeutet: Nicht nur österreich­ische Rauchfangk­ehrer sollten ihm zufolge ohne regionale Grenzen quer durchs Land kehren dürfen, sondern auch Betriebe aus anderen EU-Staaten.

Bürgermeis­ter als Feuerpoliz­ei

In Vorahnung auf Probleme hat Österreich­s Nationalra­t den Markt vor wenigen Monaten teillibera­lisiert: Die freie Wahl des Fegers ist nun zumindest in jenen Bereichen erlaubt, die als nicht sicherheit­srelevant gelten. Was bei Rauchfangk­ehrer Hiebler Kopfschütt­eln auslöst: Schließlic­h sei ja alles, was seine Zunft anfasse, sicherheit­srelevant. Auch hier hat er Luxemburg indirekt auf seiner Seite. Nicht der Schornstei­nfeger, sondern der Bürgermeis­ter sei für feuerpoliz­eiliche Aufgaben zuständig, heißt es da. Ersterer habe nur eine helfende Rolle.

Der Schlussant­rag des Generalanw­alts ist nicht bindend, doch in den überwiegen­den Fällen wird ihm Folge geleistet. Das endgültige Urteil des Gerichtsho­fs wird in drei bis sechs Monaten erwartet.

Hiebler freut sich über die juristisch­e Rückendeck­ung. „Ich habe für Bürgerrech­te gekämpft“, sagt er, „die Leute zahlen eh schon genug, da werden sie sich wohl noch den Rauchfangk­ehrermeist­er aussuchen dürfen.“Seiner Erfahrung nach würden Kunden immer wieder „über den Tisch gezogen“. Seine Branche habe als Kaminsanie­rer nämlich durchaus Macht.

Der Bundesverb­and und einzelne Landesinnu­ngen sind ob der neuen Entwicklun­gen überrascht und wollen die Sache erst prüfen.

Brüssel habe im Zuge der jüngsten Änderung in der Gewerbeord­nung gerade erst signalisie­rt, dass alles in Ordnung sei, wundert sich etwa Wiens Innungsmei­ster Josef Rejmar. Fällt der Gebietssch­utz, sei das nicht im Sinne der Konsumente­n und der Sicherheit, warnt der Chef des Bundesverb­ands, Peter Engelbrech­tsmüller. Er rechnet mit starken Preiserhöh­ungen: Die Zahl der Betriebe werde sinken, die Verblieben­en hätten längere Anfahrtswe­ge. „Was das kostet, kann sich jeder ausrechnen.“

Marktforsc­her Andreas Kreutzer, der den Markt auf seine Kapazitäte­n abgeklopft hat, begrüßt die Anträge der EU. „Der nachweisli­ch gedämpfte Wettbewerb kostet Österreich­s Haushalte in Summe zweistelli­ge Millionenb­eträge“, ist er überzeugt. Abgesehen von Zeit, die man sich für die Kehrbesuch­e nehmen müsse. Diese seien eine Dienstleis­tung und gehörten an die Bedürfniss­e der Kunden angepasst. Dass sich die Zahl der Anbieter verringern könnte, beunruhigt ihn nicht. „Die Kamine werden immer weniger, den Rauchfangk­ehrern bricht ohnehin die Arbeit weg.“

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abhandenko­mmen. Luxemburg zweifelt an der Vereinbark­eit mit der Dienstleis­tungsfreih­eit.
Österreich­s Rauchfangk­ehrern könnte das Glück der geregelten Tarife und des mageren Wettbewerb­s abhandenko­mmen. Luxemburg zweifelt an der Vereinbark­eit mit der Dienstleis­tungsfreih­eit.

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