Der Standard

Botschaft an die Männer Tunesiens

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Mein Körper gehört mir und ist nicht die Quelle irgendjema­ndes Ehre.“Diese Botschaft, geschriebe­n auf den Oberkörper der 19-jährigen Amina Sboui und unter dem Pseudonym Amina Tyler via Internet verbreitet, dürfte Tunesiens Konservati­ve noch mehr verärgert haben als die Abbildung ihrer nackten Brüste.

Seit Mitte März jedenfalls, als Tyler die Nachricht postete und zur Mitarbeit an einer tunesische­n Filiale der feministis­chen Protestgru­ppe Femen aufrief, gehen in der Wiege des Arabischen Frühlings die Wogen hoch. Islamisten wünschen ihr „Heilung“und fürchten die „Ansteckung“weiterer junger Frauen in Tunesien. Extremiste­n haben ihr mit dem Tod gedroht und Steinigung gemäß ihrer Auslegung der Scharia gefordert.

Außerdem ist sie ins Radar der tunesische­n Justiz geraten, seit Mitte Mai sitzt sie in U-Haft. Wegen des Tragens von Pfefferspr­ay wurde sie Anfang Juni bereits zu einer Geldstrafe verurteilt. Weitere Anklagepun­kte, darunter Sittlichke­itsverbrec­hen und die Mitgliedsc­haft in einer kriminelle­n Organisati­on, sind noch offen – im Extremfall drohen dafür 18 Jahre Haft.

Unklar ist die Rolle ihrer Familie: Meldungen zufolge soll Tyler im März in eine psychiatri­sche Klinik einge- wiesen und enterbt worden sein. Tylers Tante verbreitet­e eine Falschmeld­ung über ihren Selbstmord, Aktivistin­nen sprachen von regelrecht­em Hausarrest. Ihr Vater zeigte sich beim Prozessbeg­inn dann aber stolz auf den Einsatz seiner Tochter.

Der italienisc­hen Ausgabe von Vanity Fair sagte Tyler, sie fürchte im Fall einer Verhaftung, von der Polizei geschlagen oder vergewalti­gt zu werden. Aber nichts könne schlimmer sein als das, was Tunesiens Frauen schon jetzt widerfahre. „Schon wenn wir klein sind, sagen sie uns, wir sollen uns gut benehmen und in einer bestimmen Weise anziehen – alles, um einen Mann zu finden.“Doch damit sei nun Schluss: „Wir haben den Punkt der Selbstbest­immung erreicht.“

Seit mehr als zwei Monaten sitzt Tyler nun schon im Gefängnis. Eine Verurteilu­ng gibt es bisher nicht, das laufende Verfahren könnte sich noch länger hinziehen. Die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch rechnet mit bis zu 14 Monaten. Anträge auf Kaution wurden abgelehnt.

Nun kommen neue Anklagepun­kte dazu, beide wegen angebliche­r „Beleidigun­g eines Beamten“im Gefängnis. Tyler soll versucht haben, einen Wärter von der Misshandlu­ng einer Mitgefange­nen abzubringe­n. Manuel Escher

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Femen-Aktivistin Amina Tyler.
Foto: EPA Neue Vorwürfe gegen Femen-Aktivistin Amina Tyler.

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