Der Standard

Besuch in unruhigen Zeiten

Jugend im Fokus von Franziskus’ Reise Das Land mit den meisten Katholiken weltweit erwartet den neuen Papst zu seiner ersten großen Auslandsre­ise. Franziskus muss auch für seine Kirche werben, die viele Gläubige an die evangelika­le Konkurrenz verloren h

-

Andreas Behn aus Rio de Janeiro

Die Stadt am Zuckerhut hat sich auf den Ansturm von bis zu zwei Millionen Pilgern vorbereite­t, die Papst Franziskus auf seiner ersten Auslandsre­ise begrüßen werden. Fast die gesamte Woche wurde in Rio de Janeiro zu Feiertagen erklärt, um das Verkehrsch­aos während der Weltjugend­tage, die Anlass des Besuches sind, in Grenzen zu halten. Rund 10.000 Soldaten verstärken die örtliche Polizei. Schon am Wochenende prägten kleine und große Gruppen von Jugendlich­en das Stadtbild. „Wir sind Touristen gewohnt, aber diesmal reicht unsere Kapazität kaum aus“, erklärte João Resende, der gut gelaunt hinter seinem ImbissTres­en in Stadtzentr­um steht. Der Handel erwartet Mehreinnah­men von gut hundert Millionen Euro.

Und auch die katholisch­e Kirche in Brasilien erhofft sich vom Papstbesuc­h neuen Schwung. 65 Prozent der Menschen im größten Land Lateinamer­ikas sind katholisch. Noch vor zehn Jahren waren es 74 Prozent. Evangelika­le Pfingstkir­chen erfreuen sich vor allem in den Armenviert­eln enormen Zulaufes. Ihre Gottesdien­ste mit viel Musik und populären Predigten scheinen die Menschen mehr anzuziehen als die eher strengen katholisch­en Riten.

„Unsere größte Herausford­erung ist, auf die Jugend zuzugehen“, sagt daher der Erzbischof von São Paulo, Odilo Scherer. Das Image des neuen Kirchenobe­rhauptes aus dem Nachbarlan­d Argentinie­n ist dabei eine wichtige Hilfe: Franziskus ist volksnah, gesprächig und bescheiden, ganz so, wie es sich die Brasiliane­r wünschen. Trotz der angespannt­en Sicherheit­slage wird er für das Bad in der Menge wohl auf das gepanzerte Papamobil verzichten.

Der 76-Jährige hat sich ein Marathonpr­ogramm vorgenomme­n. Am Montag wird er von Präsidenti­n Dilma Rousseff in Rio de Janeiro empfangen. Dann stehen Besuche in Favelas, in Krankenhäu­sern und Gesprächsr­unden mit Jugendlich­en sowie Kirchenver­tretern an. Per Hubschraub­er geht es dann zum 250 Kilometer entfernten Nuestra Señora Aparecida im Bundesstaa­t São Paulo, dem wichtigste­n Wallfahrts­ort Brasiliens.

Zurück in Rio de Janeiro, wird Franziskus im Rahmen des Weltjugend­tages am berühmten Strand von Copacabana der KreuzwegIn­szenierung beiwohnen.

Kirche muss Stärke zeigen

Am anderen Ende Rio de Janeiros, im 50 Kilometer entfernten Stadtteil Guaratiba, wird er danach prominente­ster Teilnehmer des Weltjugend­tages sein und die mit Spannung erwartete Abschlussp­redigt halten. „Seine Botschaft wird von den Problemen der Menschen handeln, er wird zu den Herausford­erungen der Gesellscha­ft und der Kirche in Lateinamer­ika Stellung nehmen“, sagt der brasiliani­sche Kardinal Raymundo Damasceno voraus. Vier von zehn Katholiken leben auf dem Subkontine­nt, hier muss ihre Kirche Stärke zeigen.

Der Besuch des Papstes fällt mit unruhigen Zeiten zusammen, die Brasilien derzeit durchlebt. Vergangene­n Monat gingen Hunderttau­sende auf die Straßen, um für bessere öffentlich­e Dienstleis­tungen und gegen Korruption und gewalttäti­ge Polizeiein­sätze zu protestier­en. Rousseff, die bisher sehr beliebte Präsidenti­n, stürzte in Umfragen ab, der Kongress beschloss eine Vielzahl von Geset- zesinitiat­iven, um den Demonstran­ten entgegenzu­kommen.

Zum Papstbesuc­h werden neue Proteste erwartet. Der Geheimdien­st warnte insbesonde­re vor spontanen Protestakt­ionen, die über die sozialen Netzwerke organisier­t werden. Ein Thema werden die hohen Kosten des Staatsbesu­chs sein, der die öffentlich­e Hand mindestens 80 Millionen Euro kosten wird. Feministin­nen kündigten einen Protestmar­sch an, auch die Schwulenbe­wegung will das religiöse Woodstock nutzen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

„Der Papst ist nicht für die Sünden der brasiliani­schen Politiker verantwort­lich“, erklärte kürzlich der Bürgermeis­ter von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, selbst Adressat heftiger Proteste im vergangene­n Juni. „Aber wenn Korrupte beichten sollten, wird Franziskus ihnen vergeben.“

Aus Österreich werden in Rio rund 500 Pilger aus Ordensjuge­nden und der Katholisch­en Jugend erwartet. Zudem wollen der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn und der Weihbischo­f der Diözese Graz-Seckau, Franz Lackner, nach Brasilien reisen.

 ?? Foto: Reuters / Sergio Moraes ?? Am Strand von Copacabana kann man den hohen Besuch kaum noch erwarten.
Foto: Reuters / Sergio Moraes Am Strand von Copacabana kann man den hohen Besuch kaum noch erwarten.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria