Die Wutbauern vom Waldviertel
Rund 200 Landwirte fürchten um ihre Felder auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig, weil die Verwaltung der Heeresforste optimiert werden soll. Im Büro Darabos glaubt man, die Bauern würden bewusst verunsichert.
Allentsteig/merkenbrechts – In Merkenbrechts ist man Krach gewohnt. Die Einwohner des Orts im Bezirk Zwettl, fast nur Bauern, hören regelmäßig die Gefechtsübungen und den Hubschrauberlärm des Bundesheeres, denn gleich hinter dem Ort mit rund 50 Häusern beginnt die Sperrzone des Truppenübungsplatzes (Tüpl) Allentsteig. Nun gibt es aber weiteren Aufruhr: nämlich um die Pachtgründe auf dem Tüpl, wo laut Bauernkammer etwa 200 Landwirte Grund bewirtschaften. Einer von ihnen ist Rainer Deutsch. Der 39-Jährige hat sich auf den Anbau alter Getreidearten spezialisiert, rund die Hälfte der 60 von ihm bewirtschafteten Hektar sind auf Heeresgrund. Seit Wochen macht er sich Sorgen, dass das Land aufgekauft oder die Pacht – derzeit im Schnitt bei rund 100 Euro pro Hektar – empfindlich erhöht werden könnte.
Der Grund: Das Verteidigungsministerium will die Heeresforstverwaltung ausgliedern. Gespräche über eine mögliche Übernahme durch die Bundesforste bestätigt Stefan Hirsch, Sprecher von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ). Die Heeresforstverwaltung arbeite nicht wirtschaftlich. In einem externen Gutachten heißt es, „dass in den wesentlichen Leistungsbereichen selbst das Ziel der Kostendeckung nicht erreicht wird“.
Die Befürchtung der Bauern, ihre Gründe zu verlieren, sei aber unberechtigt, „das hat der Minister mehrmals betont“. Betroffen seien nur Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei und der Steinbruch. Helmuth Hübl glaubt Darabos nicht: „Sagt er das wirklich öffentlich? Einen Termin mit uns hat er platzen lassen“, klagt der Bauer, der etwa sieben Hektar auf dem Tüpl hat. „Das ist nicht viel, aber wenn alle anderen nach draußen müssen, steigt der Druck rundherum“, ergänzt der 47-Jährige.
Gottfried Nussbaum, dunkle Mähne, verdunkelte Miene, der von seinen 70 Hektar etwa 30 auf militärisch genutztem Boden beackert, brummt: „Wir sind zirka 40 Bauern in Merkenbrechts. Wenn s’ uns die Felder wegnehmen, sind wir um die Hälfte weniger.“Gerhard Ruthner, 52, stimmt ihm zu: „Wenn einer viel Pacht am Tüpl hat, kann er zusperren.“
Für Ministersprecher Hirsch zeigen diese Aussagen: „Da wer- den vor Ort gezielt Ängste geschürt, aus parteipolitischen Gründen.“Auf Landesebene flogen diese Woche tatsächlich die Fetzen rund ums Thema. Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka (VP) bezichtigte Darabos des „fantasielosen Kaputtsparens ohne Vernunft und Weitblick“. Sp-landesgeschäftsführer Günter Steindl tat wiederum Sobotkas Aussagen als „Verunsicherungskampagne“ab. Verunsichert sind jedenfalls die Landwirte. Sie wären in die Debatte um die Felder gern eingebunden. „Wir wollen ein Konzept für den Tüpl“, sagt Deutsch.
Konzept in Ausarbeitung
Ein solches sei in Ausarbeitung, heißt es bei Darabos. Eine Projektgruppe habe die Heeresforstverwaltung mithilfe externer Gutachter analysiert und Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ausgearbeitet. Die Ergebnisse sollten demnächst beim Minister auf dem Tisch liegen. Hinzu kommt, dass die Organisation der Heeresforstverwaltung, deren Mitarbeiter alle in privatrechtlichen Dienstverhältnissen angestellt wurden, ab 1. Jänner 2013 nicht mehr erlaubt sei. Man müsse also nicht nur im Sinne der Effizienz etwas ändern, so Hirsch.
Die Bauern warten nicht so lange und drohen mit Demonstrationen sowie einer Restitutionsklage. Zwischen 1938 und 1941 wurden in vier Tranchen ungefähr 6800 Menschen aus 42 Ortschaften abgesiedelt, um dem Tüpl Platz zu machen. Hübl sagt, die Reichsanleihen, die ein Bauer damals für seinen Grund bekommen habe, seien auf ein Sperrkonto gekommen und hätten nur verwendet werden dürfen, wenn man um das Geld wieder Grund kaufte. „Wir waren eine der letzten Familien, bei uns war natürlich kein Boden mehr übrig“, erzählt er.
Dass alles so bleibt, wie es ist, das glaubt Deutsch jedenfalls nicht. „Irgendetwas muss passieren“, sagt er. Und ist sich dabei wohl nicht dessen bewusst, dass in Darabos’ Büro ganz ähnliche Aussagen fallen. Es sei sogar in Ordnung, sagt Deutsch, wenn die Pacht erhöht werde – wenn die Böden dann eine entsprechende Qualität aufwiesen. Derzeit sei der Wildbestand auf dem Areal zu groß. Deutsch deutet auf ein Stück zertrampeltes Feld mit frischer Aussaat hinter dem Sperrzonenschild. Vor allem die Wildschweine würden den Bauern die Arbeit vermiesen. „Man kann deshalb nur Gerste, Roggen und teilweise Weizen anbauen“, sagt Deutsch.
Der Ministersprecher erklärt zum großen Wildtierbestand: „Da wurde in den vergangenen Jahren möglicherweise nicht optimal gearbeitet.“Künftig soll auch das besser werden. Dagegen hätte wohl auch Deutsch nichts. Er fasst die Lage so zusammen: „Wir leben mit dem Tüpl. Aber der Tüpl muss auch mit uns leben.“