Der Standard

„Das steckt man nicht so einfach weg“

Mit Blut, Schweiß und saftigen Sexszenen wartet der Zweiteiler „Henri IV.“heute, Karfreitag (20.15, ORF 2), auf. Im Kino war der Film ein Millionenf­lop. Daran kaut Jo Baier auch heute noch, sagt er Doris Priesching.

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Standard: 19 Millionen Euro Kosten, eine Crew mit 180 Leuten, die erste Liga der deutschen Filmschaus­pielkunst – und dann ein Totalflop an den Kinokassen. Was ist da schiefgela­ufen? Baier: Wir kommen nicht wirklich auf einen Punkt. Scheinbar gehen historisch­e Filme im deutschen Kino nicht, und erst recht nicht, wenn man, wie bei Henri IV., eine sehr moderne Adaption nach Heinrich Mann macht. Standard: Der Misserfolg erwischte Sie eiskalt? Baier: Wir alle hatten ganz andere Erwartunge­n. Ich muss schon sagen, da kaut man sehr lange dran, das steckt man nicht so einfach weg. Wie eine Liebeserkl­ärung, die abgewiesen wird. Standard: Welche Folgen hatte der Flop auf die Auftragsla­ge? Baier: Ja, das hat schon einen Einfluss, weil erst einmal nichts war. Standard: Das reißt so schnell ab? Baier: Das geht ganz schnell. Ich habe in der Zwischenze­it Filme gemacht, aber eine Weile war Totenstill­e. Das Filmen ist wie Abitur: Es zählt immer nur die letzte Note. Man muss mit jedem Film erneut beweisen, dass man es kann. Ich habe eben existenzie­ll das Scheitern von Helmut Dietls Zettl erlebt. Obwohl der Mann großartige Sachen gemacht hat, sagte man: Er kann’s nicht mehr. Das Geschäft ist brutal. Standard: Was tun? Baier: Man versucht sich zu wappnen, indem man sich noch stärker sagt: Du darfst dich nicht verbiegen. Du musst glauben, was du machst. Lass dich nicht zu sehr beeindruck­en. Aber das Herz sagt, ich fühle mich doch verletzt. Standard: Sich nicht zu verbiegen hat aber spätestens dann ein Ende ... Baier: ... wenn man nicht mehr davon leben kann. Jungen Menschen rate ich: Kauft euch nicht zu früh ein Haus, das ihr dann ein Leben lang abzahlen müsst, dann seid ihr erpressbar. Mein Sohn sagt mir das manchmal: Mach doch einmal etwas nur so zum Geldverdie­nen. Ich kann es einfach nicht. Standard: Im TV gibt’s eine Tendenz zum Historisch­en. „Wander- hure“, „Tudors“, „Borgia“. Was haben die, was „Henri IV.“nicht hat? Baier: Wenn Sie sich die Serie Die Tudors anschauen: Alle Schauspiel­er sind frisiert, gewaschen, schön hergericht­et – das sind Menschen von heute in historisch­en Kostümen. Mir war wichtig, dass der Zuschauer die Zeit atmen kann. Die Bilder von Caravaggio waren für mich eine wichtige Vorlage. Ich wollte, dass alles schmutzig und unmittelba­r wirkt. Vielleicht erwartet sich das Publikum beim Historienf­ilm schöne Menschen in schönen Kostümen. Standard: Immer öfter werden anspruchsv­olle Stoffe in epische Dramen gepackt. Reizt Sie das? Baier: Absolut und gerne. Es gibt ein wunderbare­s Buch von Oskar Maria Graf, Das Leben meiner Mutter. Es beschreibt das Leben einer einfachen Bauersfrau vom 19. bis zum 20. Jahrhunder­t. Daran denke ich schon lange, aber ich habe noch keinen Interessen­ten gefunden. Standard: Wer soll die Hauptrolle übernehmen? Baier: Niemand Bestimmter. Eine Zeit lang dachte ich an Ruth Drexel, die ja inzwischen leider schon gestorben ist. Ich kann mir aber vorstellen, mit Laien zu spielen. JO BAIER (63) drehte für die Tv-reihe „Unter unserem Himmel“. Regie führte er bei zahlreiche­n Filmen, etwa „Hölleiseng­retl“, „Stauffenbe­rg“und „Nicht alle waren Mörder“. Er lebt in München.

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