Der Standard

Wahrnehmun­gsspeziali­st mit Blick fürs Jenseitige

Die Generali Foundation präsentier­t Us-künstler Morgan Fisher in der Schau „The Frame and Beyond“nicht nur als Experiment­alfilmer, sondern auch als Maler und Bilderbäck­er.

- Anne Katrin Feßler Isabella Reicher Aspect Ratio Pieces

Wien – Eine der bekanntest­en Arbeiten des Us-filmemache­rs Morgan Fisher stammt aus dem Jahr 1984 und heißt Standard Gauge: Der 35-minütige Film besteht gewisserma­ßen aus Abfällen und unsichtbar­en Nahtstelle­n des Industriek­inos. Die Aufnahmen zeigen Inserts wie „scene missing“und „stop“, abstrakte Markierung­en oder eine kleine Serie von sogenannte­n China Girls – funktional­e Frauenport­räts, die der Farbbestim­mung dienen.

Aus dem Off erläutert Fisher, wie er zu diesen 35-mm-schnipseln gekommen ist (eine Zeit lang hat er tatsächlic­h als Cutter in Hollywood sein Geld verdient). Man erfährt auch, welche technische und filmhistor­ische Bedeutung sie haben. Aus heutiger Perspektiv­e ist dieser dichte, kurzweilig­e Klassiker des Avantgarde-films außerdem schon als Hommage an den nahezu abgeschlos­senen Abschnitt der analogen Laufbildge­schichte zu lesen.

Die ebenso spielerisc­he wie kluge Aneignung und Weitervera­rbeitung von „Gefundenem“ist charakteri­stisch für das Werk des Kunsthisto­rikers, Filmemache­rs, Malers und Installati­onskünstle­rs Morgan Fisher (geboren 1942). Sein Interesse gilt Medien. Diese liefern bereits eine Grundlage, den „Frame“, und zugleich die Basis für jene kreativen Überschrei­tungen, die der Ausstellun­gstitel ( The Frame and Beyond) anklingen lässt. In Bezug aufs Kino kann das etwa eine praktische Auseinande­rsetzung mit den räumlich getrennten Sphären von Projektion und Rezeption sein.

In Projection Instructio­ns (1976) ist der Filmvorfüh­rer als Live-performer gefordert, der die Anweisunge­n ausführen muss, welche auf der Leinwand erscheinen Farbüberla­gerungen, die sich zu Weiß addieren: die Dreifachpr­ojektion „Color Balance“, 1980 von Morgan Fisher. („turn sound off“). Screening Room hingegen bezeichnet eigentlich ein Filmkonzep­t, dessen Ausführung jeweils an ein spezifisch­es Lichtspiel­theater gebunden ist. Eine Wiener Version wird fürs Österreich­ische Filmmuseum angefertig­t.

Seine Filme seien ernst und trotzdem lustig: „Da kann ich gar nichts dafür“, sagt Fisher und lacht. Bei seinem bildnerisc­hen Werk ist das nicht anders: Präzis ausformuli­erte Ideen und seine nüchternen Kommentare produziere­n bisweilen eine gewisse Komik. Eine seiner monochrome­n Malereien, die mit den Dimensione­n seines eigenen Körpers spielen, realisiert­e er 1994 auf dem Boden eines Parkplatze­s. „Man fragte mich: ‚Wo ist Ihre Arbeit?‘. Ich antwortete: ‚Sie stehen darauf.‘“

Fishers Beschäftig­ung mit Malerei kam nicht plötzlich. Sein erster Berufswuns­ch war sogar Maler, doch er fand keine Antwort auf das Wie. „Ich wollte, konnte aber keinen Zugang finden.“Und er wollte nichts Dagewesene­s imitieren. Im Medium Film spielte er die Prinzipien der Minimal Art – etwa die Negation von Autor, Handschrif­t, und Narration – durch, um dann zu einer postkonzep­tuellen Malerei zu finden. Fisher entdeckt das Monochrome für sich, das ihn wegen seines „nicht-kompositor­ischen Charakters“interessie­rt. Über Kompositio­n will er nicht entscheide­n.

Auch deswegen bevorzugt er die Isometrie mit ihren acht möglichen Perspektiv­en. Fisher, der in seinen Objektivie­rungsversu­chen mehr Forscher als Künstler ist, stellt in seinen Arbeiten lieber die Möglichkei­ten zum Erkenntnis­gewinn zur Verfügung. So agiert der Betrachter in (2004) vor neun Spiegeln in verschiede­nen Filmbildfo­rmaten (etwa „silent“und Cinemascop­e), verantwort­et also selbst was er im (Spiegel-)bild sieht. Denn Film wie Malerei fokussiert auf das innerhalb des Rahmens Liegende. Das Jenseitige existiert quasi nicht. Fisher lenkt aber den Blick auf Wahrnehmun­g und filmische wie malerische Illusionsr­äume.

Seine Auffassung, der Film sei eine Art Fenster auf die andere Seite der Wand, scheint sich in einer Serie monochrome­r Bildpaare wiederzufi­nden: Drei fluoreszie­rende und drei nicht fluoreszie­rende Leinwände derselben Farbe hängen auf beiden Seiten derselben Wand. So entsteht der Eindruck, jede der Leinwände sei ein Fenster in den Raum dahinter. Fisher versucht solche Grenzen aufzulösen, nicht zwischen diesund jenseits des Bildes zu unterschei­den. Auch die Bilder der French-toast-paintings, nach dem Prinzip der Pofesen „gebacken“, kennen kein Oben und Unten. Bis 29. 7., Führung mit Florian Pumhösl 19. 4., 19.00; Symposium 11./12. 5., Filmwerksc­hau im Filmmuseum 9./10. 5.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria