Wahrnehmungsspezialist mit Blick fürs Jenseitige
Die Generali Foundation präsentiert Us-künstler Morgan Fisher in der Schau „The Frame and Beyond“nicht nur als Experimentalfilmer, sondern auch als Maler und Bilderbäcker.
Wien – Eine der bekanntesten Arbeiten des Us-filmemachers Morgan Fisher stammt aus dem Jahr 1984 und heißt Standard Gauge: Der 35-minütige Film besteht gewissermaßen aus Abfällen und unsichtbaren Nahtstellen des Industriekinos. Die Aufnahmen zeigen Inserts wie „scene missing“und „stop“, abstrakte Markierungen oder eine kleine Serie von sogenannten China Girls – funktionale Frauenporträts, die der Farbbestimmung dienen.
Aus dem Off erläutert Fisher, wie er zu diesen 35-mm-schnipseln gekommen ist (eine Zeit lang hat er tatsächlich als Cutter in Hollywood sein Geld verdient). Man erfährt auch, welche technische und filmhistorische Bedeutung sie haben. Aus heutiger Perspektive ist dieser dichte, kurzweilige Klassiker des Avantgarde-films außerdem schon als Hommage an den nahezu abgeschlossenen Abschnitt der analogen Laufbildgeschichte zu lesen.
Die ebenso spielerische wie kluge Aneignung und Weiterverarbeitung von „Gefundenem“ist charakteristisch für das Werk des Kunsthistorikers, Filmemachers, Malers und Installationskünstlers Morgan Fisher (geboren 1942). Sein Interesse gilt Medien. Diese liefern bereits eine Grundlage, den „Frame“, und zugleich die Basis für jene kreativen Überschreitungen, die der Ausstellungstitel ( The Frame and Beyond) anklingen lässt. In Bezug aufs Kino kann das etwa eine praktische Auseinandersetzung mit den räumlich getrennten Sphären von Projektion und Rezeption sein.
In Projection Instructions (1976) ist der Filmvorführer als Live-performer gefordert, der die Anweisungen ausführen muss, welche auf der Leinwand erscheinen Farbüberlagerungen, die sich zu Weiß addieren: die Dreifachprojektion „Color Balance“, 1980 von Morgan Fisher. („turn sound off“). Screening Room hingegen bezeichnet eigentlich ein Filmkonzept, dessen Ausführung jeweils an ein spezifisches Lichtspieltheater gebunden ist. Eine Wiener Version wird fürs Österreichische Filmmuseum angefertigt.
Seine Filme seien ernst und trotzdem lustig: „Da kann ich gar nichts dafür“, sagt Fisher und lacht. Bei seinem bildnerischen Werk ist das nicht anders: Präzis ausformulierte Ideen und seine nüchternen Kommentare produzieren bisweilen eine gewisse Komik. Eine seiner monochromen Malereien, die mit den Dimensionen seines eigenen Körpers spielen, realisierte er 1994 auf dem Boden eines Parkplatzes. „Man fragte mich: ‚Wo ist Ihre Arbeit?‘. Ich antwortete: ‚Sie stehen darauf.‘“
Fishers Beschäftigung mit Malerei kam nicht plötzlich. Sein erster Berufswunsch war sogar Maler, doch er fand keine Antwort auf das Wie. „Ich wollte, konnte aber keinen Zugang finden.“Und er wollte nichts Dagewesenes imitieren. Im Medium Film spielte er die Prinzipien der Minimal Art – etwa die Negation von Autor, Handschrift, und Narration – durch, um dann zu einer postkonzeptuellen Malerei zu finden. Fisher entdeckt das Monochrome für sich, das ihn wegen seines „nicht-kompositorischen Charakters“interessiert. Über Komposition will er nicht entscheiden.
Auch deswegen bevorzugt er die Isometrie mit ihren acht möglichen Perspektiven. Fisher, der in seinen Objektivierungsversuchen mehr Forscher als Künstler ist, stellt in seinen Arbeiten lieber die Möglichkeiten zum Erkenntnisgewinn zur Verfügung. So agiert der Betrachter in (2004) vor neun Spiegeln in verschiedenen Filmbildformaten (etwa „silent“und Cinemascope), verantwortet also selbst was er im (Spiegel-)bild sieht. Denn Film wie Malerei fokussiert auf das innerhalb des Rahmens Liegende. Das Jenseitige existiert quasi nicht. Fisher lenkt aber den Blick auf Wahrnehmung und filmische wie malerische Illusionsräume.
Seine Auffassung, der Film sei eine Art Fenster auf die andere Seite der Wand, scheint sich in einer Serie monochromer Bildpaare wiederzufinden: Drei fluoreszierende und drei nicht fluoreszierende Leinwände derselben Farbe hängen auf beiden Seiten derselben Wand. So entsteht der Eindruck, jede der Leinwände sei ein Fenster in den Raum dahinter. Fisher versucht solche Grenzen aufzulösen, nicht zwischen diesund jenseits des Bildes zu unterscheiden. Auch die Bilder der French-toast-paintings, nach dem Prinzip der Pofesen „gebacken“, kennen kein Oben und Unten. Bis 29. 7., Führung mit Florian Pumhösl 19. 4., 19.00; Symposium 11./12. 5., Filmwerkschau im Filmmuseum 9./10. 5.