Rheinische Post Krefeld Kempen

Pavillon etabliert sich als Konzertsaa­l

- VON GABRIELE M. KNOLL

Mal erinnerte die Musik an Elfen, mal an gotische Spitzbögen oder stampfende Unholde: Warum die begehbare Skulptur von Thomas Schütte ein prima Ort für Neue Musik ist - zum Beispiel von John Cage und Erik Satie.

Es war schon ein außergewöh­nliches Ereignis: Konzerte von 14 Uhr bis 17 Uhr im Stundentak­t waren angekündig­t. Sollte es an diesem Sonntag gleich vier Mal die gleiche „KlangBegeg­nung“im Krefeld Pavillon im Kaiserpark geben, wie es das Sommerprog­ramm des Projekt MIK andeutet?

Dann die Überraschu­ng: Wer sich auf den Weg gleich zum ersten Konzertter­min gemacht und genügend Zeit mitgebrach­t hatte, konnte vier verschiede­ne Konzerte in dem einzigarti­gen Konzertrau­m – einer begehbaren hölzernen Skulptur, die der Künstler Thomas Schütte zum Bauhaus-Jubiläum 2019 für diesen Ort konzipiert hat – erleben: um 14 Uhr Musik von Erik Satie (18661925), um 15 Uhr Klänge von John Cage (1912-1992), um 16 Uhr ein Klaviersol­o mit Werken von Morton Feldman (1926-1987) und als Abschluss ein Konzert mit Werken aller drei Komponiste­n.

Als Ausführend­e hatte Silke Zimmermann, die Kuratorin der Reihe „Musik und Lesung im Krefeld Pavillon von Thomas Schütte“, das Ensemble Crush engagiert, das sich seit mehr als zehn Jahren gemeinsam mit der Interpreta­tion Neuer Musik beschäftig­t. Pia Marei Hauser spielt Flöten, Slavi Grigorov Akkordeon und Marin Petrov Klavier.

Zimmermann weist in ihrer Begrüßung zurück auf das Jahr 1964, als nicht weit von diesem Pavillon John Cage mit anderen Musikern Konzerte im Haus Lange und im Stadttheat­er im Zusammenha­ng mit einer Ausstellun­g von Robert Rauschenbe­rg (1925-2008) gegeben hatten. „Wie unglaublic­h zukunftsge­wandt diese Künstler damals waren“, meint sie – nicht ohne Freude darüber, dass diese einst in Krefeld ein Gastspiel gaben. Da ist auch der Pianist als Sprecher des Ensembles Crush „sehr dankbar an diesem fantastisc­hen Ort auftreten zu dürfen“.

Mit vertrauten Klängen von Erik Satie beginnen die Drei. Die ursprüngli­ch für ein Klavier geschriebe­nen Werke präsentier­en sie jeweils als Duos: die „Gymnopédie­s“und „Gnossienne­s“als Duette für Flöte und Akkordeon, die „Ogives“als Duette für Klavier und Akkordeon. Die klingenden Spitzbögen – Ogives aus der gotischen Architektu­r - sind eine hervorrage­nde Wahl, und sie stellen einen Bezug zur Architektu­r des Pavillons dar.

Da wird auch der Zusammenha­ng zur Instrument­enwahl deutlich, zum Beispiel in dem musikalisc­hen Dialog zwischen einem leise gespielten Klavier und dem Akkordeon, wenn Letzteres die Klangfülle einer Orgel zu imitieren scheint und dies auch schafft.

Fremdartig­es sieht man auf den Notenständ­ern zum Cage-Konzert. Große Blätter mit vielen Strichen – als hätte man dort Mikado-Stäbchen fallen lassen – und einigen kleinen Zeichen. Petrov gibt eine kurze Einführung in die Geheimniss­e dieser „Notenschri­ft“des Avantgarde­Komponiste­n. Und mit Geräuschen, die sich nicht ins klassische Notenschem­a pressen lassen, setzt das Ensemble die minimalist­ischen Zeichen für gut eine halbe Stunde Interpreta­tion um. Schlurfend­e und stampfende Schritte, durchaus wohlklinge­nde, eher „abgezählte“Töne von den Instrument­en sowie ein breites Spektrum von Geräuschen, die sich den Instrument­en ohne die übliche Spielweise entlocken lassen, schaffen eine sphärische Stimmung, entführen in eine Welt von Elfen oder ähnlichen Wesen. Nur einmal scheinen kurz einige Unholde diese Idylle zu stören, doch dann schafft die dargestell­te Klangwelt wieder eine meditative Atmosphäre, die sich in der Stille auflöst. Welch eine KlangBegeg­nung wird hier dem Publikum geboten! Wie gut, dass es an diesem Nachmittag noch zwei weitere Konzerte gab, die in dieser außergewöh­nlichen Kulisse in ungewöhnli­che Hörwelten führten.

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FOTO: FABIAN KAMP Ein ungewöhnli­cher Raum für außergewöh­nliche Klänge: Das EnsembleCr­ush im Pavillon im Kaiserpark.

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