Marco Brenner schreibt die Tour de France ab
Der Augsburger Radprofi kämpft mit den Spätfolgen seines Unfalls von 2020. Deshalb rückt die Frankreich-Rundfahrt in weite Ferne. Nun konzentriert er sich auf ein anderes Rennen.
Erst 40 Kilometer waren Anfang März auf den holprigen Straßen der Strade Bianche, einem der traditionsreichsten Straßenrennen im Frühjahr absolviert, als Marco Brenner einsehen musste, dass es keinen Sinn mehr machte: „Es stand auf der Kippe, ob ich überhaupt fahren würde, denn ich war kurz zuvor krank. Aber ich habe es versucht, hatte aber von Beginn an keinen Bums in den Beinen. Der limitierende Faktor war aber der Rücken. Bei Belastung verkrampft die Muskulatur, es sticht dann rein und es geht nicht mehr“, erzählt der 20-jährige Augsburger Radprofi von seinen Schmerzen, die ihn in der Toskana zur Aufgabe zwangen.
Nach einem schweren Unfall im April 2020, als er sich bei einer Trainingsfahrt an der Anhängerkupplung eines Traktors das rechte Schienbein aufschlitzte, scheint Brenner sich unbemerkt eine Fehlhaltung bei der Sitzposition auf dem Rennrad angeeignet zu haben. Durch eine Dysbalance der unterschiedlich starken rechten und linken Beinmuskulatur verdrehte er auf dem Rad immer wieder die Hüfte. Eine minimale Fehlstellung, die bei dem Nachwuchsfahrer wohl zunächst unbemerkt blieb. Doch mit den immer weiter steigenden Anforderungen nach seinem Wechsel ins Profilager zum Team DSM, traten zuletzt immer häufiger Beschwerden auf, auch wenn die Muskulaturdefizite längst aufgearbeitet sind.
So kommt es bei den intensiven Belastungen während des Trainings oder des Rennens zu Verspannungen im Rücken, die ins rechte Bein abstrahlen. „Das rechte Bein macht zu. Die Verkrampfung geht erst dann langsam weg, wenn die Belastung weg ist“, erklärt er seine Beschwerden. Keine guten Voraussetzungen für einen Profi. Brenner, der inzwischen den Großteil des Jahres in seiner Wahlheimat Andorra lebt und trainiert, versucht die Probleme mit intensiver Physiotherapie neben dem
Training in den Griff zu bekommen. Bisher mit mäßigem Erfolg: „Da gab es noch keine großen Fortschritte, da sind wir immer noch am Tüfteln, was wirklich hilft.“
Getüftelt wurde auch vor wenigen Tagen in der Teamzentrale in den Niederlanden an seiner Fahrposition. „Da wurde der Hüftwinkel optimiert, damit ich mehr Stabilität in den Rücken und in den Hüftbereich bekomme. Wir haben den Lenker etwas höher eingerichtet, damit ich etwas kürzer auf dem Rad sitze.“
Den ehrgeizigen Brenner nervt es, dass er nicht hundertprozentig trainieren kann. Und ihm fehlt die Wettkampfpraxis mit seinen Teamkollegen. Darum fährt er ab Montag auch die Katalonienrundfahrt Volta Ciclista a Catalunya mit, ohne Chance auf eine gute Platzierung. „Es geht für mich in Katalonien nicht groß darum, Leistung zu bringen. Ich versuche einfach, so weit wie es geht zu kommen“, sagt Brenner. Fast wichtiger ist ihm der tägliche Kontakt mit seinen Fahrerkollegen und der
Teamleitung. „Wir werden da auch besprechen, wie wir weitermachen.“Eine Überlegung sei es, dass er sich Rat bei dem bekannten Physiotherapeuten Hans Friedl holt, der sein Therapie- und Trainingszentrum in Edling am Chiemsee betreibt.
Noch sieht Marco Brenner seine Saisonplanungen nicht in Gefahr. Doch seine möglicherweise erste Teilnahme an der Tour de France hat er schon mal abgeschrieben. Die Tour startet am 1. Juli in Bilbao und endet am 27. Juli in Paris. „Ich stand zwar derzeit auch nur auf der Longlist, aber daran ist gar nicht zu denken.“Brenner konzentriert sich lieber auf seinen eingeplanten Saisonhöhepunkt: Das ist wie im vergangenen Jahr die Vuelta, die Spanienrundfahrt. Die beginnt mit der ersten Etappe am 26. August mit einem Teamzeitfahren in Barcelona. Das Ziel erreichen die Fahrer dann am 17. September in der Hauptstadt Madrid.
Doch vorerst hat Marco Brenner nur einen Wunsch: „Ich will so schnell wie möglich fit werden.“