Der Standard

Revue der tanzenden Rätsel

Wien Modern lädt im Odeon mit „Alice“ins Wunderland der Skurrilitä­t. Zu Kurt Schwertsik­s elegant-inspiriert­er Musik entsteht in dieser Produktion des Sirene-Operntheat­ers ein fantasievo­lles pantomimis­ches Musiktheat­er.

- Ljubiša Tošić Weitere Aufführung­en am 25. und 30. November sowie am 1., 2., 7., 8., 9., 29., 30. und 31. Dezember

In jenem fernen Land der Wunder, in dem Blumen sprechen und leicht schwermüti­ge Töne durch die Lüfte schweben lassen, ist ein junges Mädchen auf der Suche nach Gewissheit – auch bezüglich ihrer Identität. Unbekannt ist sie nicht. Sie stammt aus Lewis Carrolls Kinderbuch­klassiker Alice im Wunderland und erwacht im Wiener Odeon rund um eine Kreisfläch­e zu skurril-poetischem Revueleben.

Rauchende Raupe

Das Regieduo Kristine Tornquist und Max Kaufmann lässt eine rätselhaft­e Figurenwel­t entstehen, die Alice in Staunen versetzt. In 26 Szenen trifft sie auf eine gemeine Herzkönigi­n, das Duo Tweedledee und Tweedledum und natürlich auf das weiße Kaninchen. Auch liegt sie im Schoß der rauchenden Raupe oder landet auf der Teeparty des Hutmachers. Das Stück mit Musik von Kurt Schwertsik (ein Projekt des Sirene-Operntheat­ers und des Serapionst­heaters), das im Rahmen des Wien-Modern-Festivals uraufgefüh­rt wurde, verfügt über eine Besonderhe­it: Die Hauptfigur entschlägt sich der üblichen Töne.

Ana Grigalashv­ili spricht und bewegt sich eindringli­ch durch den Strudel der fantasievo­llen Ereignisse, die mit simplen Bühnenmitt­eln reizvolle Illusionen kreieren. Durchgehen­de Technik: Sänger und Sängerinne­n werden in diesem Wechsel von Körperslap­stick, Tanz und opernhafte­n Ansätzen von stummen Figuren verdoppelt, die das Serapions-Ensemble mit ausgelasse­ner Bewegungse­leganz ausstattet.

Tolle Musik

Da fügen sich auch Personen zur Grinsekatz­e oder torkeln Kostümiert­e entlang perkussive­r Rahmenmusi­k absurd-vornehm um die Kreisfläch­e. Kurt Schwertsik­s Musik ist dabei nie von plakativer Exaltierth­eit. Sie wirkt geprägt von feinstem Melodiegew­ebe, jede Linie atmet inspiriert Eleganz und Sanftheit. Die tonale Musik mit einem sehr speziell gestimmten Klavier umhüllt das episodenha­fte Geschehen wie eine gütige Fee. Sie ist eine raffiniert­e Mixtur aus unaufdring­licher Unmittelba­rkeit und poetischer Noblesse. Sie trägt und charakteri­siert das Geschehen und die Vorgänge auf der Bühne quasi eindringli­ch unaufdring­lich.

Das Rote Orchester unter der Leitung von Dirigent François-Pierre Descamps haucht die Klänge delikat aus und zelebriert die melodische­n Pointen und Motive akkurat und prägnant. Dieser szenische Mix aus Poesie, Skurrilitä­t und Komik gleicht einer reizvollen Entführung in ein Wunderland, aus dem Alice schließlic­h gereift herauswäch­st.

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Alice (Anna Grigalashv­ili) trifft die Grinsekatz­e, die in der Inszenieru­ng von Kristine Tornquist und Max Kaufmann verachtfac­ht wird.

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