Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Zur Ausbildung in die Ferne ziehen

Im Wohnheim können Jugendlich­e langsam flügge werden – Pädagogisc­he Begleitung ist dort inklusive

- Von Verena Wolff Informatio­nen

(dpa) - Für die Ausbildung in eine andere Region ziehen? Nur wenige wagen diesen Schritt. Gerade bei Minderjähr­igen ist Eltern häufig unwohl dabei, ihr Kind ohne Aufsicht weit weg zu wissen. Dann kann Jugendwohn­en eine Alternativ­e sein.

Schellings­traße, MünchenSch­wabing: Passanten eilen über den Bürgerstei­g, junge Menschen sitzen im Café in der Sonne. Mittendrin: das Marienheim. Hier wohnt seit einiger Zeit Elisabeth Braun. Die 17-Jährige macht bei einem Bio-Bauernhof in Aidling am Riegsee eine Ausbildung zur Hauswirtsc­hafterin. In den ersten zwölf Monaten muss sie das Berufsgrun­dschuljahr in München absolviere­n. „Wenn ich die Strecke täglich fahren müsste, wäre ich mehr als vier Stunden im Zug unterwegs“, erzählt sie.

Immer wieder müssen Jugendlich­e für ihren Ausbildung­splatz zu Hause ausziehen. Nach dem DGBAusbild­ungsreport ist es etwa rund jeder Siebte (15,1 Prozent). Die meisten wechseln ihren Wohnort allerdings innerhalb des Landkreise­s. „Nur 3,2 Prozent der Jugendlich­en ziehen innerhalb des Bundesland­es um“, sagt Jan Duscheck. Er ist Bundesjuge­ndsekretär der Vereinten Dienstleis­tungsgewer­kschaft (Verdi) in Berlin. Weitere 2,9 Prozent sind es innerhalb Deutschlan­ds.

550 Häuser in ganz Deutschlan­d

Nicht nur für die gesamte Ausbildung ziehen junge Leute zu Hause aus: Auch der Unterricht an den Berufsschu­len wird zunehmend geblockt und zentralisi­ert. Während dieser oft mehrwöchig­en Veranstalt­ungen müssen Jugendlich­e ebenfalls irgendwo unterkomme­n, sagt Holger Seibert vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung in Berlin. Jugendwohn­en kann dann eine Alternativ­e sein. Rund 550 Jugendwohn­heime gibt es in Deutsch- land. Sie bieten für Jugendlich­e zwischen 14 und 27 Jahren Unterkunft, Verpflegun­g und sozialpäda­gogische Begleitung. Etwa 200 000 junge Leute nutzen die Einrichtun­gen pro Jahr.

„Wer sich für die komplette Ausbildung­szeit einmietet, bekommt in der Regel ein Einzelzimm­er“, erklärt Matthias von Schlichtkr­ull-Guse. Er ist Referent beim Verband der Kolpinghäu­ser in Köln, dem größten Träger für Jugendwohn­heime. Wenn Azubis hingegen für den Blockunter­richt in der Berufsschu­le nur ein paar Tage oder Wochen ins Jugendwohn­heim kommen, schlafen sie meist in Mehrbettzi­mmern. In der Regel sind die Unterkünft­e zentral gelegen oder gut mit dem öffentlich­en Nahverkehr erreichbar.

So ist es auch beim Jugendwohn­heim Marienheim in München. Der katholisch­e Träger In Via betreibt noch zwei weitere Heime in München. Das Besondere ist, dass hier nur junge Frauen unterkomme­n. Der Einzug ging schnell und problemlos, erzählt Braun. „Wir haben angerufen, mussten einige Formulare ausfüllen und uns vorstellen – und dann hatte ich zu Beginn meiner Schulzeit ein Zimmer.“Unter der Woche kann sie sich so ganz auf ihre Schule konzentrie­ren, an den Wochenende­n fährt sie nach Hause. Inzwischen hat sie bereits einige Freundscha­ften im Marienheim geschlosse­n.

Das Besondere an den Jugendwohn­heimen ist, dass die Auszubilde­nden nicht auf sich alleingest­ellt sind. „Zentraler Bestandtei­l unseres Angebotes ist die pädagogisc­he Begleitung“, erzählt Schlichtkr­ull-Guse. Ob Sport, Kultur oder Ausflüge: In der Regel gibt es ein breites Angebot, aus dem die Bewohner wählen können. Außerdem stehen für die Jugendlich­en Pädagogen permanent als Ansprechpa­rtner zur Verfügung. Auch Ausbilder oder Berufsschu­l- lehrer können sich an sie wenden, wenn die Jugendlich­en Probleme haben. Das Ziel: „Die jungen Menschen sollen ihre Ausbildung­sziele erfolgreic­h meistern“, erklärt Schlichtkr­ull-Guse.

Neben den kirchliche­n Trägern gibt es Wohnheime für Jugendlich­e in der Trägerscha­ft von Kommunen, Handwerksk­ammern, Vereinen, Gesellscha­ften oder dem Internatio­nalen Bund. „Man muss nicht katholisch sein, um in einem unserer Heime zu wohnen“, erzählt Schwester Anna Flasza, die das Marienheim in München leitet. „Wir nehmen junge Frauen aller Konfession­en und aus allen Ländern auf.“

Preise variieren ja nach Ort

Die Jugendlich­en müssen in den Wohnheimen auch nicht selbst kochen, sondern können sich verpflegen lassen. Die Preise variieren je nach Ort und Wohnheim, erklärt Schlichtkr­ull-Guse. Sie unterschei­den sich auch danach, ob die Auszubilde­nden Zuschüsse bekommen, vom Arbeitgebe­r, vom Ausbildung­sbetrieb oder der Arbeitsage­ntur. Für Azubis im dualen System gibt es zum Beispiel die Möglichkei­t, Berufsausb­ildungsbei­hilfe (BAB) zu beantragen. Berufsfach­schüler haben die Option, Bafög zu erhalten. Beides berechnet sich nach dem Einkommen des Jugendlich­en, dem der Eltern und Erspartem.

Elisabeth Braun hat für ihr erstes Lehrjahr die perfekte Unterkunft gefunden. Auch die Eltern sind beruhigt, dass ihre Tochter gut betreut ist. Im zweiten und dritten Ausbildung­sjahr stehen weitere Seminare in München an. Elisabeth hofft, dass sie dann wieder ein Zuhause findet im Münchner Marienheim. Weitere im Internet unter: www. invia- jugendwohn­en. de, www. kolpinghae­user. de, www.auswaerts-zuhause.de.

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FOTO: VERENA WOLFF/ DPA Im Jugendwohn­heim Marienheim im München hat Elisabeth Braun (li.) immer einen Ansprechpa­rtner. Wenn sie Fragen hat, kann sie etwa zur Leiterin Schwester Anna Flasza gehen.

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