Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ratingagentur droht EU mit Abstufung
Standard & Poor’s stört sich an Konjunkturpaketen – Ausblick negativ
- Wenn einzelne Mitgliedstaaten wackeln, kann das Gesamte kein Fels in der Brandung sein. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat den Ausblick für die Kreditwürdigkeit der Europäischen Union (EU) auf „negativ“gesetzt. S&P schätzt die Chancen auf ein Drittel, dass es demnächst zu einer Abwertung kommen wird. Die Bonitätsnote für die EU bleibt bei AA+, noch immer ein sehr guter Wert.
Die Finanzmärkte reagierten gelassen auf die Ankündigung. Anleihen aller EU-Länder wurden ohne größere Schwankungen gehandelt. „Es ist eine Top-Bonitätsnote mit hervorragender Absicherung hinten dran und die Wahrscheinlichkeit für weitere Herabstufungen halte ich für sehr, sehr gering“, urteilt Ilona Korsch, beim Bankhaus Hauck & Aufhäuser für den Rentenhandel verantwortlich.
Schlechter Leumund
Trotzdem wackelt nach Meinung von S&P die Bonität Europas, was weniger an den unmittelbaren Risiken im Euroraum liegt sondern daran, dass das Investitionspaket der EU-Kommission für die Mitgliedstaaten teuer werden könnte. „Das ist schon eine Herausforderung für die gesamte Europäische Union, weil eben die gesamte Europäische Union für diesen umfangreichen Investitionsplan in Höhe von 315 Milliarden Euro haftet“, erklärt Mauricio Var- gas, Volkswirt bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Hinzu käme, dass einzelne EU-Mitgliedstaaten nicht mehr so gut beleumundet seien, wie Deutschland: So hat die S&P den Ausblick für Frankreich und Großbritannien schon vor einiger Zeit von „neutral“auf „negativ“gesetzt. „Die Agentur handelt nur logisch, wenn sie die Organisation genauso einstuft, wie viele ihrer Mitglieder“, sagt Vargas. „Deutschland, Frankreich und Großbritannien tragen mehr als 70 Prozent zum EU- Budget bei“, schreibt S&P. „Wir gehen davon aus, dass die EU eine Garantie gegen Verluste aussprechen wird, um den Juncker-Plan zu stützen.“Dieser basiert auf einem Fonds, der im Herbst einsatzbereit sein soll. Die Milliardeninvestitionen sollen vor allem von privaten Anlegern kommen. Mit ihnen will die EU die Wirtschaft Europas ankurbeln und die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Vor allem Infrastrukturprojekte von schnellem Internet bis hin zum Bau von Straßen sind geplant.
Im Jahr 2011, als die Staatsschuldenkrise im Euroraum ihren Anfang nahm, hatte es von den Ratingagenturen Herabstufungen gehagelt. Die Zinsen von Anleihen aus Spanien, Portugal, Italien und Griechenland waren zum Teil in den zweistelligen Bereich geschossen. Eine solche Entwicklung dürfte sich nicht wiederholen, zumal die Europäische Zentralbank sich vorbehält, unbegrenzt Anleihen aus dem Euroraum aufzukaufen und so die Zinsen niedrig halten kann. Doch Beobachter sind sich sicher, dass weitere Agenturen dem Beispiel von S&P folgen werden.
Schließlich droht in naher Zukunft der Komplettausfall eines EUNettozahlers. Spätestens im Jahr 2017 will Großbritannien ein Referendum zur EU-Mitgliedschaft durchführen. Außerdem strebt Katalonien die Unabhängigkeit von Spanien an, Spanien selbst hat eine schwierige Parlamentswahl vor sich. „So lange die vielen Fragen nicht beantwortet sind, werden die Agenturen skeptisch bleiben“, erklärt Vargas.
Deutschland stabil
Für Deutschland werde sich erst einmal nichts ändern. „Deutschland ist auf jeden Fall der sichere Hafen für Anleihekäufer”, sagt Ilona Korsch. „Es ist eine hohe Liquidität und darüber hinaus eine hohe Transparenz am Markt vorhanden und das ist genau das, was große Investoren benötigen.“Außerdem bezeichnet Korsch die deutsche Haushaltspolitik als „solide“.