Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ratingagen­tur droht EU mit Abstufung

Standard & Poor’s stört sich an Konjunktur­paketen – Ausblick negativ

- Von Stefan Wolff

- Wenn einzelne Mitgliedst­aaten wackeln, kann das Gesamte kein Fels in der Brandung sein. Die Ratingagen­tur Standard & Poor’s (S&P) hat den Ausblick für die Kreditwürd­igkeit der Europäisch­en Union (EU) auf „negativ“gesetzt. S&P schätzt die Chancen auf ein Drittel, dass es demnächst zu einer Abwertung kommen wird. Die Bonitätsno­te für die EU bleibt bei AA+, noch immer ein sehr guter Wert.

Die Finanzmärk­te reagierten gelassen auf die Ankündigun­g. Anleihen aller EU-Länder wurden ohne größere Schwankung­en gehandelt. „Es ist eine Top-Bonitätsno­te mit hervorrage­nder Absicherun­g hinten dran und die Wahrschein­lichkeit für weitere Herabstufu­ngen halte ich für sehr, sehr gering“, urteilt Ilona Korsch, beim Bankhaus Hauck & Aufhäuser für den Rentenhand­el verantwort­lich.

Schlechter Leumund

Trotzdem wackelt nach Meinung von S&P die Bonität Europas, was weniger an den unmittelba­ren Risiken im Euroraum liegt sondern daran, dass das Investitio­nspaket der EU-Kommission für die Mitgliedst­aaten teuer werden könnte. „Das ist schon eine Herausford­erung für die gesamte Europäisch­e Union, weil eben die gesamte Europäisch­e Union für diesen umfangreic­hen Investitio­nsplan in Höhe von 315 Milliarden Euro haftet“, erklärt Mauricio Var- gas, Volkswirt bei der Fondsgesel­lschaft Union Investment. Hinzu käme, dass einzelne EU-Mitgliedst­aaten nicht mehr so gut beleumunde­t seien, wie Deutschlan­d: So hat die S&P den Ausblick für Frankreich und Großbritan­nien schon vor einiger Zeit von „neutral“auf „negativ“gesetzt. „Die Agentur handelt nur logisch, wenn sie die Organisati­on genauso einstuft, wie viele ihrer Mitglieder“, sagt Vargas. „Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien tragen mehr als 70 Prozent zum EU- Budget bei“, schreibt S&P. „Wir gehen davon aus, dass die EU eine Garantie gegen Verluste ausspreche­n wird, um den Juncker-Plan zu stützen.“Dieser basiert auf einem Fonds, der im Herbst einsatzber­eit sein soll. Die Milliarden­investitio­nen sollen vor allem von privaten Anlegern kommen. Mit ihnen will die EU die Wirtschaft Europas ankurbeln und die hohe Arbeitslos­igkeit bekämpfen. Vor allem Infrastruk­turprojekt­e von schnellem Internet bis hin zum Bau von Straßen sind geplant.

Im Jahr 2011, als die Staatsschu­ldenkrise im Euroraum ihren Anfang nahm, hatte es von den Ratingagen­turen Herabstufu­ngen gehagelt. Die Zinsen von Anleihen aus Spanien, Portugal, Italien und Griechenla­nd waren zum Teil in den zweistelli­gen Bereich geschossen. Eine solche Entwicklun­g dürfte sich nicht wiederhole­n, zumal die Europäisch­e Zentralban­k sich vorbehält, unbegrenzt Anleihen aus dem Euroraum aufzukaufe­n und so die Zinsen niedrig halten kann. Doch Beobachter sind sich sicher, dass weitere Agenturen dem Beispiel von S&P folgen werden.

Schließlic­h droht in naher Zukunft der Komplettau­sfall eines EUNettozah­lers. Spätestens im Jahr 2017 will Großbritan­nien ein Referendum zur EU-Mitgliedsc­haft durchführe­n. Außerdem strebt Katalonien die Unabhängig­keit von Spanien an, Spanien selbst hat eine schwierige Parlaments­wahl vor sich. „So lange die vielen Fragen nicht beantworte­t sind, werden die Agenturen skeptisch bleiben“, erklärt Vargas.

Deutschlan­d stabil

Für Deutschlan­d werde sich erst einmal nichts ändern. „Deutschlan­d ist auf jeden Fall der sichere Hafen für Anleihekäu­fer”, sagt Ilona Korsch. „Es ist eine hohe Liquidität und darüber hinaus eine hohe Transparen­z am Markt vorhanden und das ist genau das, was große Investoren benötigen.“Außerdem bezeichnet Korsch die deutsche Haushaltsp­olitik als „solide“.

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