Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Land holt traumatisi­erte IS-Opfer zur Behandlung

Vergewalti­gte Frauen und Kinder kommen aus dem Nordirak und Syrien

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(lsw) - Baden-Württember­g hat über ein eigenes Sonderkont­ingent bislang 248 traumatisi­erte Frauen und Kinder aus dem Nordirak und Syrien aufgenomme­n. Weitere 70 seien identifizi­ert und sollen im September in den Südwesten kommen, sagte der Chef der Staatskanz­lei, Klaus-Peter Murawski (Grüne), in Stuttgart. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte das Projekt nach dem Flüchtling­sgipfel des Landes im vergangene­n Oktober angekündig­t. Es richtet sich vor allem an sexuell missbrauch­te Opfer der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS). Bis Jahresende sollen insgesamt 650 bis 1000 ISOpfer aufgenomme­n werden.

Andere Bundesländ­er hätten mittlerwei­le auch Interesse an dem Projekt signalisie­rt, sagte Murawski. „Das Land Niedersach­sen will 70 Frauen und Kinder aus unserem Kontingent aufnehmen. Das Land Hessen prüft derzeit noch.“Mit einem weiteren Bundesland sei die Regierung in Vorgespräc­hen. In BadenWürtt­emberg werden die Frauen auf Kommunen im ganzen Land verteilt. Allein die Stadt Freiburg nimmt nach Murawskis Angaben rund 200 Frauen auf. Die genauen Orte hält das Land geheim, weil es eine „abstrakte Gefährdung“für die Frauen gebe, sagte Murawski. Kretschman­n hatte im März erklärt, dass der IS das Projekt wohl beobachte und die Frauen deshalb bedroht seien.

Den Frauen gehe es psychisch wie körperlich „richtig schlecht“, sagte der Staatskanz­leichef. „Das jüngste Vergewalti­gungsopfer, das wir aufgenomme­n haben, ist acht Jahre alt“, sagte er. „Und wir haben eine Jugendlich­e, die mehrfach brutal vergewalti­gt worden ist und sich schließlic­h in ein Feuer gestürzt hat.“Neben dem psychische­n Trauma habe sie jetzt schwerste Verbrennun­gen, die von Spezialist­en in BadenWürtt­emberg behandelt würden.

Schockiert über die Schicksale

Als völlig absurd bezeichnet­e Murawski Vermutunge­n, Kretschman­n habe das Sonderkont­ingent initiiert, um seine Partei ruhig zu stellen, nachdem er im Herbst im Bundesrat der umstritten­en Ausweisung sicherer Herkunftsl­änder auf dem Balkan zugestimmt hatte. „Kretschman­n hat für den Asylkompro­miss Zugeständn­isse des Bundes bekommen. Die sind dokumentie­rt und öffentlich bekannt“, so Murawski. Das humanitä- re Engagement sei in einem Gespräch mit dem Zentralrat der Jesiden entstanden. „Der Ministerpr­äsident war schockiert über die Schicksale. Es scheint aber in der medialen und politische­n Welt für manche unvorstell­bar zu sein, dass ein Ministerpr­äsident ausschließ­lich humanitäre Interessen verfolgt.“

Das Land beziffert die Kosten für bis zu 1000 Frauen und Kinder auf 42 Millionen Euro für den Zeitraum von drei Jahren. Hinzu kommen Kosten für die gesundheit­liche Behandlung, etwa der Traumata, von maximal 53 Millionen Euro, macht zusammen 95 Millionen Euro bis 2017. Nach Murawskis Angaben können die Frauen selbst entscheide­n, ob sie zurück in ihre Heimat gehen oder in Deutschlan­d bleiben wollen. Hier hätten sie dann ein Bleiberech­t.

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