Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
„Idiotentest“nach Trunkenheitsfahrt verpflichtend
Wer seinen Führerschein zurückhaben möchte, muss zur medizinisch-psychologischen Untersuchung
MANNHEIM (lsw) - Entzieht ein Strafgericht einem Autofahrer wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis, muss er auf jeden Fall einen „Idiotentest“machen, um sie wiederzubekommen. Dies gelte auch, wenn der Fahrer weniger als 1,6 Promille im Blut gehabt habe, entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen.
(lsw) - Wer betrunken am Steuer erwischt wird, muss in Baden-Württemberg eher zum Idiotentest als in anderen Ländern. Diese Regelung hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim jetzt bestätigt. Sobald ein Strafgericht den Führerschein kassiert habe, dürften ihn die zuständigen Behörden nur noch nach einer positiven medizinischpsychologischen Untersuchung (MPU) herausgeben. Das entschieden die Richter in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil (AZ.: 10 S 116/15). Dies gelte auch, wenn der Fahrer weniger als 1,6 Promille im Blut gehabt habe und zum ersten Mal erwischt wurde.
Sehr strenge Landesvorschriften
Die Frage, ob schon nach der ersten Trunkenheitsfahrt ein Idiotentest fällig wird, ist rechtlich umstritten. In den meisten Bundesländern wird die MPU bei Ersttätern erst ab einem Schwellenwert von 1,6 Promille angeordnet. Lediglich das Land und Berlin handhaben dies strenger. Das führe zu einer kuriosen Wanderbewegung, sagte ADAC-Jurist Markus Schäpe. Manche betroffene Berliner und Baden-Württemberger verleg- ten nach einer Verurteilung einfach ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland, um ihren Führerschein ohne Idiotentest zurückzubekommen.
Dass es zu dem Thema zwei verschiedene Rechtsauffassungen in Deutschland gebe, sei eine „völlig absurde Situation“, betonte Schäpe. Nötig sei eine klare, einheitliche Rechtsauslegung, die sich auf die Expertise etwa von Rechtsmedizinern stütze. Mit dem Thema wird sich möglicherweise ohnehin das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschäftigen müssen. Im aktuellen Urteil sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache der Gang zur nächsten Instanz zugelassen worden, erklärte der VGH. Allerdings habe der Kläger bislang noch keine Revision eingelegt.
Nach einer Trunkenheitsfahrt wird ein Strafgericht eingeschaltet, wenn der Fahrer mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut hatte. Gleiches gilt, wenn er zwar nicht so stark alkoholisiert war, aber Ausfallerscheinungen gezeigt oder einen Unfall verursacht hat. Entzieht das Strafgericht den Führerschein, entscheiden üblicherweise die Fahrerlaubnisbehörden, ob sie eine MPU verlangen. In BadenWürttemberg gelte eine solche Kulanz jedoch nicht mehr, sagte Schäpe. Hier seien die Behörden gezwungen, einen „Idiotentest“anzuordnen.
Genau dies war im aktuellen Fall dem Kläger passiert. Er war mit einem Blutalkoholwert von 1,49 Promille am Steuer erwischt worden. Ein Strafgericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe und zog seinen Führerschein ein. Das Landratsamt Ortenaukreis wollte ihm ohne MPU die Fahrerlaubnis nicht zurückgeben. Zu Recht, befanden die VGH-Richter. Es komme nicht auf den Promillegehalt an und auch nicht darauf, ob der Führerschein erstmals entzogen werde. Bei einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis sei immer eine MPU anzuordnen.
Die MPU wird deutschlandweit jährlich mehr als 90 000-mal angeordnet, in der Hälfte der Fälle nach Trunkenheitsfahrten. Die Durchfallquote liegt laut ADAC bei rund 40 Prozent. Ohne gute Vorbereitung sei der „Idiotentest“kaum zu schaffen, warnte Schäpe. Er vermutete, dass sich die Zahl der MPUs in Baden-Württemberg durch die seit 2014 geltende strengere Rechtsauffassung nahezu verdoppelt hat. Ein erheblicher Teil der Alkoholfahrten liege in dem Bereich zwischen 1,1 und 1,6 Promille, für den im Land immer eine MPU fällig werde.