Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Esoteriker-Paar zu Haft verurteilt
Esoteriker-Paar muss ins Gefängnis, weil es Kind nicht medizinisch behandeln ließ
KARLSRUHE (dpa) - Ein EsoterikerPaar muss ins Gefängnis, weil es seinem kranken Kind lebensnotwendige Behandlungen vorenthalten hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision der Angeklagten zu jeweils drei Jahren Haft wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen. Nach Überzeugung des BGH ließen die Mutter und ihr Lebensgefährte den damals zwölf Jahre alten Jungen von Ende 1999 an absichtlich leiden, indem sie die notwendige Behandlung seiner Stoffwechselkrankheit abbrachen und auf alternative Heilmethoden vertrauten.
(dpa/sz) – Mit Fasten und Meditationen wollten ein selbsternannter Guru und dessen Lebensgefährtin einen schwerkranken Zwölfjährigen heilen, statt ihm lebenswichtige Medikamente zu verabreichen. Dafür müssen die beiden nun drei Jahre ins Gefängnis. Der Bundesgerichtshof hat am Dienstag das entsprechende Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth bestätigt. Es ist nicht der erste Fall, in dem Gerhard L. aus Franken Kinder mit seinen Heilsversprechen gefährdet hat.
Im aktuellen Prozess ging es um einen zum Tatzeitpunkt zwölfjährigen Jungen. Der heute 28-Jährige leidet an unheilbarer, lebensbedrohender Mukoviszidose. Heute geht es ihm den Umständen entsprechend gut. Die Stoffwechselerkrankung muss dauerhaft medizinisch behandelt werden. Doch seine Mutter und ihr Lebensgefährte Gerhard L. gingen ab Ende 1999 nicht mehr zum Arzt und setzten die Medikamente ab. Stattdessen sollen Fasten und Meditation das Kind heilen.
Junge magerte völlig ab
Nach drei Jahren Martyrium in Lonnerstadt bei Erlangen rettet sich der Junge völlig abgemagert zu seinem leiblichen Vater. Zehn Jahre später zeigt er seine Mutter und ihren Partner an. Er wolle nicht, dass anderen so etwas geschehe, begründete er den Schritt nach Angaben seines Anwalts Mathias Klose.
Drei Jahre Haft wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen lautet vor einem Jahr das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Der Bundesgerichtshof bestätigte nun den Spruch und verwarf die Revision der Angeklagten. Die heute 50 Jahre alte Frau und der 56-jährige Mann hatten die Vorwürfe vor dem Landgericht bestritten. Der Junge habe selbst über die Behandlung entscheiden können.
Schweres Leid zugefügt
Die Angeklagten seien Garanten für das Wohl des Kindes gewesen, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Rolf Raum. Sie hätten den Jungen zwar nicht aktiv gequält, aber sie hätten auch nichts für seine Heilbehandlung unternommen und ihm damit schweres Leid zugefügt. „Darin sieht der Senat ein Quälen.“Bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung hat das Landgericht aus Sicht des BGH keine Fehler gemacht. Die Kammer in Nürnberg hatte Medienberichte über das Paar als Vorverurteilung gewertet. Sie seien dadurch öffentlich vorverurteilt worden, das sei strafmildernd zu bewer- ten, so die Richter. Diese Ansicht teilte auch der BGH.
Gerhard L. war als „Sektenguru von Lonnerstadt“bekannt geworden. Er hatte dem kranken Sohn seiner Lebensgefährtin Genesung versprochen. Er habe gesagt, „wenn ich alles mitmache, meditiere, bin ich mit 17, 18 geheilt“, hatte der junge Patient vor dem Landgericht berichtet. Doch in den drei Jahren ohne medizinische Versorgung magerte er bis auf 28 Kilogramm ab, es ging ihm immer schlechter. „Es war für mich die Hölle“, sagte er im Prozess.
Der Junge hatte bis 2002 im fränkischen Lonnerstadt bei Erlangen in einer sektenähnlichen Gemeinschaft gelebt, die den Lehren Gerhard L.s folgten. Er und zwei weitere Kinder flohen. Eine Dokumentation des WDR hatte zehn Jahre später enthüllt, dass erneut drei Kinder mit ihren Eltern in L.s Gruppe lebten. Es gab so gut wie keine Arztbesuche, sie wurden zum Dauerfasten angehalten. 2013 entzog das Amtsgericht Erlangen den Eltern das Sorgerecht, die Kinder leben seither in einer Jugendeinrichtung. Zunächst hatten die örtlichen Behörden betont, die Lage der Kinder sei nicht so dramatisch, wie vom WDR dargestellt. Das sahen die Richter am Amtsgericht Erlangen aber 2013 ebenso anders wie nun ihre Kollegen in Karlsruhe.