Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Streit um Flüchtlingshilfe
Integrationsbeauftragte nimmt Bund in die Pflicht
BERLIN (AFP/KNA) - Im Streit um die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen hat sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), auf die Seite der Länder geschlagen. Özoguz sprach sich dafür aus, die Hilfe des Bundes auf zwei Milliarden Euro pro Jahr zu verdoppeln. „Grundsätzlich muss der Bund im nächsten Jahr den Kommunen eine deutlich höhere Hilfe zukommen lassen“, sagte Özoguz.
Die Länder konkretisierten unterdessen ihre Forderung nach einer monatlichen Pauschale des Bundes je Flüchtling. „Jeder Flüchtling kostet das Land etwa 1000 Euro im Monat“, sagte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD. Der Bund solle 50 Prozent der Kosten übernehmen. Angesichts der stark erhöhten Asylbewerberzahlen sind die Kosten der Kommunen für Unterbringung und Versorgung stark angestiegen.
- Die Anträge stapeln sich, und das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben. Nordrhein-Westfalen registriert jeden Tag rund 1000 neue Flüchtlinge. Andere Bundesländer melden ähnlich hohe Zahlen. Noch nie kamen so viele Asylbewerber nach Deutschland wie im vergangenen Juli. Die Zahl der unbearbeiteten Asylanträge beläuft sich auf etwa 240 000. Das sei gewaltig, beschreibt Manfred Schmidt, Chef des zuständigen Nürnberger Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Lage. Mit der Einrichtung von vier neuen Entscheidungszentren will er die Lage in den Griff bekommen. Die Unterbringung von Asylbewerbern führt allerdings inzwischen zu Kosten in Milliardenhöhe.
Hinter den Kulissen bringen sich Politiker von Bund, Ländern und Kommunen in Stellung. Die Entscheidung im Finanzpoker dürften im September fallen, wird in Länderkreisen erwartet. In den Staatskanzleien erinnert man an das Protokoll des Berliner Spitzentreffens der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von Mitte Juni - und die Zusagen darin.
Bis 1300 Euro im Monat
Der Bund werde sich ab 2016 „strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten, die in Abhängigkeit von der Zahl der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen, beteiligen“, heißt es in dem Papier, das unserer Berliner Redaktion vorliegt. Die monatlichen Kosten für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung eines Asylbewerbers werden auf monatlich 1000 bis 1300 Euro beziffert. Bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, für die höhere Standards gelten, sind es bis zu 5000 Euro monatlich.
Schon werden Möglichkeiten durchgespielt, auf welchem Wege der Bund die Länder entlasten könnte. Modell 1: Eine Kopfpauschale. Der Bund könnte einen festen Anteil der Unterbringungskosten übernehmen. Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) forderte eine Lastenteilung: „Der Bund sollte 50 Prozent der Kosten pro Flüchtling übernehmen.“Modell 2: Der Bund würde bestimmte Leistungen übernehmen, die bisher vollständig oder teilweise von den Ländern getragen werden. Eine solche Lösung hätte durchaus Charme, heißt es in Länderkreisen. Eine Möglichkeit wäre etwa die Übernahme der Kosten für die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber, von Untersuchungen über Impfungen bis hin zur Krankenversicherung. Denkbar wäre auch eine stärkere Beteiligung an Integrationsleistungen. Der Bund signalisiert Gesprächsbereitschaft. „Grundsätz- lich muss der Bund im nächsten Jahr den Kommunen eine deutlich höhere Hilfe zukommen lassen“, sagte Aydan Özoguz (SPD), die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. „Eine Verdoppelung der bisherigen Milliarde sollte es mindestens sein angesichts der mehr als verdoppelten Flüchtlingszahlen.“SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel bringt noch eine weitere Variante ins Gespräch. Demnach könne der Bund für Asylbewerber und Geduldete nach einem Jahr Aufenthalt in Deutschland die finanziellen Leistungen übernehmen. Ende des Monats wollen Bund und Ländern zunächst in internen Runden klären, wie sie Kosten und Lasten der Flüchtlingsunterbringung gemeinsam bewältigen können.