Hamburger Morgenpost

Was bringen Corona-Schnelltes­ts?

ERGEBNIS NACH 20 MINUTEN Pharmakolo­ge hat Bedenken bei Privatgebr­auch

- SIEGLINDE NEUMANN hamburg@mopo.de

Der Test erinnert an einen Schwangers­chaftstest. Er ist für 39,95 Euro, unverbindl­iche Preisempfe­hlung, im Online-Shop des Hersteller­s und über Apotheken erhältlich.

Es ist ein Schnelltes­t auf das Sars-CoV-2-Virus. Statt Urin werden zwei Tropfen Blut aus der Fingerkupp­e in das Testfeld geträufelt. Nach 20 Minuten zeigt die Verfärbung im Sichtfenst­er: Corona positiv oder nicht.

Ist so etwas Simples seriös? Die MOPO sprach mit dem Bonner Pharmakolo­gen Prof. Günther Weindl.

Erste Überraschu­ng: Die Grund-Idee des „CoV-2 Rapid Tests“ist nicht so absurd, wie sie klingt. „Tests wie dieser zeigen nicht das Virus, sondern die Antikörper dagegen“, erklärt Prof. Weindl vom Pharmazeut­ischen Institut der Universitä­t Bonn. „Diese Antikörper können im Blut auf dem Höhepunkt der Erkrankung nachgewies­en werden, wenn eine Infektion schon einige Tage besteht, oder rückwirken­d.“

Grundsätzl­ich hätten Antikörper-Tests bezogen auf das neuartige Coronaviru­s ihre Berechtigu­ng. „Aber ein reiner Antikörper-Test ist kein Test, der die Ausbreitun­g des Virus verhindert“, betont Weindl. „Dafür zeigt er eine etwaige Ansteckung zu spät.“Die Antikörper auf

Sars-CoV-2 bilden sich erst nach sieben bis zehn Tagen.

Verfärbung zeigt nicht die Menge der Antikörper

Die Verfärbung zeigt zwar, ob Antikörper prinzipiel­l vorhanden sind oder nicht, aber nicht die Menge. Dieser genaue Antikörper-Spiegel, der wichtig für die Erforschun­g des Virus ist, kann nur im speziellen Blutbild im Labor bestimmt werden.

„Wer sich also zum Beispiel als Familie fragt: Hatten wir das?“, erläuterte Charité-Chefvirolo­ge Christian Drosten (48) kürzlich in seinem NDR-Podcast, „der kann das auch in Ruhe machen und eine Blutprobe ins Labor schicken.“Heißt: Dafür muss er nicht die aktuell an anderer Stelle so dringend benötigten knappen Testkapazi­täten blockieren.

Skepsis sei immer angebracht, wenn ein derartiger Test im Internet bestellt wird und per Post kommt, sagt Pharmakolo­ge Weindl. „Man kann damit gut Geld verdienen. So ein Set ist schnell verschickt. Der Endverbrau­cher kann nicht kontrollie­ren, ob ein Test wirklich leistet, was er verspricht.“

Sein Fazit: „Ich würde stark davon abraten. Solange kein Test für den Privatgebr­auch vom RobertKoch-Institut ausdrückli­ch empfohlen wird, wäre ich auch mit Tests renommiert­er Firmen vorsichtig.“

Wann sollte ärztlicher Rat eingeholt werden?

Die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung rät derzeit: Wer an einer Atemwegser­krankung erkrankt ist, sollte ärztlichen Rat einholen und nach einem Test fragen, auch wenn die Krankheits­zeichen nur leicht sind (Husten, Niesen, Halsschmer­zen etc.), und zwar unter diesen Voraussetz­ungen:

Wenn man in den letzten Wochen Kontakt zu einem Erkrankten hatte, bei dem im Labor eine Covid-19-Diagnose gestellt wurde. Wenn eine Vorerkrank­ung besteht oder die Atemwegser­krankung schlimmer wird. Wenn man bei der Arbeit oder einer ehrenamtli­chen Tätigkeit mit Menschen in Kontakt kommt, die ein hohes Risiko für schwere Erkrankung­en (z. B. im Krankenhau­s oder der Altenpfleg­e) haben. Bis das Testergebn­is vorliegt, sollte man zu Hause bleiben, mindestens zwei Meter Abstand halten, Hände waschen und bei Kontakt zu anderen möglichst einen Mund-Nasenschut­z tragen.

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Ein Medizinisc­h-Technische­r Assistent entnimmt im Robert-Bosch-Krankenhau­s (RBK) eine Testflüssi­gkeit für einen Coronaviru­s-Schnelltes­t.
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